"Kanak.Attack": Feridun Zaimoglu tapeziert die Fassade der Kunsthalle im Museumsquartier mit 400 türkischen Fahnen. Eröffnung am 7. März

Grafik: Kunsthalle
Grafik: Kunsthalle
Die Eröffnung des Museumsquartiers mit den Museen Leopold und moderner Kunst im Sommer 2001 war keineswegs eine Zäsur oder gar das Ende der neuen Gründerzeit im Bereich der Ausstellungsforen:

Die Albertina wurde, um ein Vielfaches vergrößert, 2003 wiedereröffnet; das Sisi-Museum in der Hofburg führte 2004 zu einem anhaltenden Ansturm auf die Kaiserappartements; im prunkvollen Palais Liechtenstein zeigt der Fürst seit dem Vorjahr seine barocken wie biedermeierlichen Schätze; und 2007 wird das Corps de Logis der Neuen Burg mit seinen neuen Flächen für Wechselausstellungen des Kunsthistorischen Museums restauriert sein.

Keine Frage daher: Unter den Direktoren der Wiener Museen und Ausstellungshäuser herrscht eine nervöse bis gereizte Stimmung. Denn der Markt wuchs wohl kaum im Ausmaß von vielleicht 1,5 Millionen Besuchern, die das Leopold Museum, die Albertina, das Liechtenstein Museum und etliche weitere Institutionen, die sich erhöhter Frequenzen erfreuen, 2004 verbuchen konnten. Obwohl fast alle Direktoren behaupten, dass die neuen Konkurrenten zu keinen Rückgängen in ihren Häusern geführt hätten.

Nicht einmal Klaus Albrecht Schröder, Direktor der Albertina, kann seinen durchschlagenden Erfolg genießen: Da die von ihm mit Sponsorgeldern finanzierten Ausstellungshallen nicht subventioniert werden, muss er permanent für Kassenschlager sorgen, die zumindest deckungsgleich bilanzieren. Die relevante Tauschware für internationale Meisterwerke ist aber längst nicht so opulent wie der Ruf der grafischen Sammlung gut: Schröder, permanent ein Getriebener, braucht, weil er die Blätter von Rembrandt oder Dürer nicht so leicht verleihen kann (außer er negiert das Denkmalschutzgesetz), Nachschub – und sähe sein Glück in der Fusion mit der Österreichischen Galerie.

Doch deren Direktor Gerbert Frodl wehrt sich massiv gegen den geplanten Take-over: Er will lieber verstärkt mit dem Museum moderner Kunst kooperieren, obwohl sich ein gemeinsamer Betrieb des 20er-Hauses, das ab Anfang 2006 nach Plänen von Adolf Krischanitz renoviert und umgebaut wird, zerschlug. Als Partner konnte Frodl nun die Wotruba-Stiftung gewinnen, die jahrelang erfolglos ein Quartier für die Plastiken von Fritz Wotruba suchte. Auch mit dem Leopold Museum möchte Frodl, da der Fokus in beiden Häusern auf die klassische österreichische Moderne konzentriert ist, verstärkt zusammenarbeiten.

Eine immer wieder von außen ins Spiel gebrachte Fusion ist allerdings undenkbar – so lange Rudolf Leopold Direktor ist. Und das ist er auf Lebenszeit. Ermüdungszeichen sind keine zu erkennen: Leopold ärgert sich nach wie vor, dass er kein Ankaufsbudget, bei Gründung der Stiftung versprochen, bekommt. Denn Sammeln ist seine Lieblingsbeschäftigung. Doch die – beachtlichen – Besucherzahlen liegen weit hinter den einstigen, völlig überzogenen Erwartungen: Die Subvention, um einiges höher als der prognostizierte Bedarf, deckt gerade einmal den Betrieb.

Geheime Wünsche

Mit rund zwei Millionen Euro ist sie aber weit geringer als die Basisabgeltung für die Österreichische Galerie (4,4 Millionen) oder das Museum für angewandte Kunst (acht Millionen). Doch auch MAK-Chef Peter Noever ärgert sich über die budgetäre Situation – und macht am liebsten Ausstellungen, die besser ins Museum moderner Kunst passen würden. Mumok-Direktor Edelbert Köb hingegen, Designer und Akademie-Professor für Werkerziehen, würde viel lieber das MAK leiten. Er tat dies am Donnerstagabend bei einer von Andrea Schurian geleiteten Diskussion über die Museen im Umbruch kund: nicht unbedingt ein Argument für die Verlängerung des bis Ende 2006 laufenden Vertrags, um den Köb bittstellend kämpft.

Zudem plädiert der Direktor für eine Erweiterung des Mumok von 4500 auf 8000 Quadratmeter – und bringt Ausstellungen (wie die Personale Gerwald Rockenschaub), die auch für die städtische Kunsthalle konzipiert worden sein könnten. Keine Frage: Das unscheinbare Gebäude nebenan im Museumsquartier wäre für das Mumok wie geschaffen.

Doch Kunsthallen-Direktor Gerald Matt hat keine Alternative. Er muss im Areal bleiben, hadert aber mit dem Schicksal: Die neobarocke Fassade, die so gar nicht zu den zeitgenössischen Inhalten passt, ist eigentlich jene der Veranstaltungshalle. Hinzu kommt, dass der Betrieb der neuen, größeren Kunsthalle weit teurer kommt als jener des Provisoriums am Karlsplatz, die Besucherzahl aber stagniert.

Matt wird nun offensiver: Die Fassade soll ab 7. März mit einer Installation aus rund 400 türkischen Fahnen von Feridun Zaimoglu verhüllt sein – Kanak.Attack ist bereits jetzt ein Aufreger für den Boulevard. Nebenbei kooperiert Matt, was früher kaum vorstellbar gewesen wäre, mit dem Kunstforum der BA-CA: Gemeinsam organisiert man die Themenschau Superstars.

Geänderte Strategien

Denn unter Ingried Brugger kam es zu einer Verschiebung: Da ihr Exmann Schröder das Kunstforum-Konzept "Von Cézanne bis Picasso" (samt Varianten) mit in die Albertina nahm, verlagerte sie das Interesse von der klassischen auf die jüngere Moderne – und übernimmt mit den Personalen Willem De Kooning, Roy Lichtenstein, Tamara de Lempicka Aufgaben, die das Mumok fast aufgegeben hat.

In den gleichen Gewässern fischt mitunter auch Wilfried Seipel, Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums: Er zeigte Francis Bacon und möchte Lucian Freud bringen. Zudem schnappte er Frodl die große Goya-Schau weg. Dass er auch einmal Carravaggio bringen könnte, kam ihm nicht in den Sinn: Mit dem Barockmeister trumpft 2006 nun Johann Kräftner, Chef des Liechtenstein Museums, auf. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26./27.2.2005)