Von Montag bis Freitag täglich eine Stadtgeschichte von Thomas Rottenberg

Auch als Buch: Die besten Stadtgeschichten aus dem Stadtgeschichten - Archiv - zum Wiederlesen & Weiterschenken. "Wiener Stadtgeschichten" mit Illustrationen von Andrea Satrapa-Binder, Echomedia Verlag Ges.m.b.H., ISBN 3-901761-29-2, 14,90 Euro.

Echo-Verlag
Es war am Sonntag. Da stand E. dann im Schnee und war dankbar. Schließlich hat man als Normalsterbliche nicht alle Tage die Chance, zu lernen, woher Unternehmen die Ideen für ihre großen Plakatsujets nehmen. Allerdings, schreibt E., sei sie bescheiden: Sie wäre auch zufrieden gewesen, diese Erkenntnis ohne Kinder zu machen.

Frau E. war nämlich rodeln. Am Cobenzl. Mit einer Freundin, einem Hund und vier Kindern. Rodeln, schreibt E., waren auch dabei. Und weil das auf den Plakaten der Wiener Linien so nett aussieht, wie die beiden Jungs da mit ihren Rodeln auf den Bus warten, hätte ihre Neigungsgruppe Wintersport es genauso gemacht: Gegen 16.20 stand die müdegerodelte Meute an der Cobenzl-Haltestelle des 38 A ­ und stieg frohen Mutes in den Wagen mit der Nummer 8504.

Türöffner

Blöderweise fuhr der in die falsche Richtung. Aber weil man schon ­- endlich – saß, schreibt Frau E., hätten die Mütter beschlossen, eben eine Runde zu fahren. Und das, obwohl ein Kind ­ blödererweise – schon zweimal auf den Türöffnerknopf gedrückt hatte. Noch blödererweise störte das einen anderen Fahrgast. Sie stauchte den Siebenjährigen zusammen. Das übliche. Die Mutter des Kindes sagte zum Kind: Bitte sag Entschuldigung. Das Kind sagte: Entschuldigung bitte. Damit, dachten die Rodlerinnern, wäre die Sache wohl erledigt.

„Steigen´s aus“

Aber das war sie nicht, schreibt E. Der Fahrer von Wagen 8504 habe seine Kabine verlassen und erklärt, dass wer einen Türöffner drücke, auch aussteigen müsse. Zumindest dann, wenn der Türknopfdrücker in seinem Bus säße: Er verweigere den Transport der nassen Kinder. Den der Rodeln, des Hundes auch. Den der Mütter sowieso: „Steigen´s aus.“ Sollte sich irgendjemand bemüßigt fühlen, über dieses Thema weiter diskutieren zu wollen, wäre nicht er, sondern der Kundendienst der Wiener Linien der richtige Ansprechpartner.

Die Gruppe, schreibt E., sei ausgestiegen und habe eine Viertel Stunde in der dämmrigen Kälte auf den nächsten Bus gewartet. Leider, schreibt E., habe sie keinen Fotoapparat dabeigehabt. Das Bild von vier frierenden schneenassen Kindern, die mit ihren Rodeln auf den Bus warten, würde sich nämlich wirklich gut neben dem Plakat der zwei fröhlichen Jungs unter dem Slogan „die Stadt gehört dir“ machen.(24.2.2005)