Ein kosmisches Auge des EU-Projekts Galileo. Ein Teil der 30 Satelliten, die ab heuer ins All geschossen werden, dient der Navigation, ein anderer Polizei und Rettung.

Gibt es ein Recht darauf, nicht beobachtet zu werden? Eigentlich nicht, ernüchterten Experten beim Brüsseler Erdbeobachtungsgipfel. Unser Planet wird rund um die Uhr von Satelliten beäugt. Und das sei auch notwendig.

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Brüssel - Wie die Wahrnehmung doch täuschen kann. Doch gut, dass es satellitengestützte Erdbeobachtung gibt. Denn während die Bevölkerung Irlands noch immer im Glauben lebt, eine weit gehend rural geprägte Insel zu bewohnen, belegen aus dem All geschossene Aufnahmen das unumstößliche Gegenteil.

Die Beobachtung solch langsamer Landschaftsveränderungen, über die Jaqueline McGlade, Direktorin der Europäischen Umweltbehörde, auf dem Erdbeobachtungsgipfels "Earth and Space Week" vergangene Woche in Brüssel referierte, ist nur ein Beispiel aus einer breiten Palette von Nutzen der Erdbeobachtung, deren gewonnene Daten nun in einem globalen Erdbeobachtungssystem ("Geoss") weltweit vernetzt und auch Entwicklungsländern zugänglich gemacht werden sollen.

Unbegrenzte Möglichkeiten

Der Gipfel zeigte, dass die Anwendungen der modernen Erdbeobachtung schier unbegrenzt sind: für die Messung von Bodenfeuchtigkeit und Pflanzenabdeckung, für die umfassende Darstellung von Sturm- und Flutschäden, für Katastropheneinsätze, um Hilfsorganisationen über die Bedingungen in den Krisengebieten zu informieren, oder auch um umweltrelevante Veränderungen festzuhalten und Naturkatastrophen teilweise vorherzusagen. Diese globale Erfassung unseres Planeten geschieht derzeit (noch) mit 50 Umweltsatelliten, die sich in der Erdumlaufbahn befinden und teilweise hochaufgelöste Bilder liefern, sowie mit rund 100.000 bemannten und/oder automatisierten Erdbeobachtungssystemen an Land, auf See und in der Luft.

Aber auch die Kehrseite der Medaille wurde beim Gipfel deutlich: Erdbeobachtungssysteme aus dem All können natürlich feststellen, welches Land gerade welche nuklearen Tests durchführt und wie viel oder wo es attraktive und noch nicht ausgebeutete Bodenschätze gibt - sehr zum Missfallen verschiedener Länder, denen es gar nicht behagt, dem hochaufgelösten Blick der Satelliten (vor allem jener der USA) hilflos ausgeliefert zu sein. Zum Beispiel Israel, das zumindest ein Abkommen aushandeln konnte, das die Weitergaben der Daten an andere als die USA untersagt, erklärte der britische Geologe Nigel Press dem STANDARD.

Beruhend auf dem "open sky concept" der UNO könne sich sonst aber kein Land und keine Ethnie als Zielobjekt zumindest niedrig aufgelöster Bilder entziehen, sagte Stephen Briggs von der Europäischen Raumfahrtbehörde Esa. Was die Angst vor Datenmissbrauch schürt und bei verschiedenen indigenen Gruppen in den USA wütenden Protest auslöst. Denn diese fürchten nun die Ausbeutung ihrer Bodenschätze aufgrund des Bildmaterials und fordern das Recht ein, nicht fernbeobachtet zu werden. Was ihnen wohl nicht gewährt werde: Denn seit der Tsunami-Katastrophe sei der Wert der Erdbeobachtung - unabhängig von meteorologischen Diensten wie der Wetter- und Klimavorhersage - verstärkt ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrungen, verdeutlicht Thomas Kemper vom Deutschen Fernerkennungsdatenzentrum: "Es mag zynisch klingen, aber der Tsunami war uns sehr hilfreich."

Herausforderungen für die Zukunft seien laut Kemper die Automatisierung der Analyse hochaufgelöster Daten. In Kriseneinsätzen soll zudem die Geschwindigkeit optimiert werden, mit der Satelliten Infos zur Erde senden. Denn bei Erdbeben etwa blieben im Schnitt nur 100 Stunden Zeit, Überlebende zu finden. (Erika Müller/DER STANDARD, Printausgabe, 22.2.2005)