Dem ehemaligen Ministerpräsidenten der Niederlande war in einem Untersuchungsbericht wiederholtes Fehlverhalten gegenüber weiblichen Mitarbeitern im Genfer UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) vorgeworfen worden. Er habe sich zu dem Schritt entschlossen, um den wegen einer Reihe von Skandalen innerhalb seiner Behörde unter Druck stehenden UN-Generalsekretär nicht noch weiter in Verlegenheit zu bringen, schrieb Lubbers am Montag in einem Brief an die UNHCR-Mitarbeiter. Seine reguläre Amtszeit wäre erst Ende dieses Jahres abgelaufen. Der 65-Jährige bot an, die Amtsgeschäfte so lange weiterzuführen, bis ein Nachfolger gefunden ist.
Annan nahm das Rücktrittsgesuch an und sprach Lubbers seinen Dank für die Hingabe und Zuwendung aus, die er Flüchtlingen in aller Welt entgegengebracht habe. Zugleich begrüßte er, dass jetzt "ein neues Kapitel" beginnen könne. Dies liege im besten Interesse des UN-Flüchtlingshilfswerks, seiner Mitarbeiter und der Flüchtlinge. Die anhaltende Kontroverse um Lubbers' Person habe sein Verbleiben im Amt unmöglich gemacht, ließ Annan über seinen Sprecher erklären.
Eine 51 Jahre alte Mitarbeiterin hatte im Mai 2004 Anzeige wegen sexueller Belästigung gegen Lubbers (65) erstattet. Annan wies ihre Vorwürfe damals als "nicht nachweisbar" zurück. Inzwischen wurde bekannt, dass Lubbers die Frau im Büro "an sich gezogen und an seine Lenden gepresst" hatte. In weiteren vier Fällen soll er weibliche Mitarbeiter "sexuell berührt" oder auch auf sein Hotelzimmer eingeladen haben - mit der Begründung, sich einsam zu fühlen. Die Frauen gaben gegenüber Ermittlern an, sie hätten aus Angst vor beruflichen Nachteilen auf eine Anzeige verzichtet.
Nach einem Gespräch mit Annan am Freitag hatte Lubbers den Gedanken an einen Rücktritt vor Journalisten noch weit von sich gewiesen. Der UN-Chef teilte der Presse jedoch unverblümt mit, bei dem Treffen, an dem auch der neue Kabinettschef von Annan, Mark Malloch Brown teilnahm, sei "die Zukunft von Herrn Lubbers" erörtert worden. In diplomatischen Kreisen hieß es am Montag, Annan habe Lubbers mit dem Rauswurf gedroht und Vorbereitungen für ein Verfahren gegen den Niederländer treffen lassen.
Die Affäre um Lubbers, der bei den UN das Hilfsprogramm für 20 Millionen Flüchtlinge in 120 Ländern seit 2001 leitete, hatte das Ansehen der UN zunehmend in Misskredit gebracht. Annan sieht sich zudem mit dem Korruptionsverdacht gegen das "Öl für Lebensmittel"- Programm im Irak sowie mit Vorwürfen über die sexuelle Ausbeutung von Kindern in Kongo durch Blauhelm-Soldaten konfrontiert.