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Ruud Lubbers klagt über mangelndes Vertrauen in seine Person.

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New York/Genf - Der wegen angeblicher sexueller Belästigung von Mitarbeiterinnen unter Druck geratene UN-Flüchtlingshochkommissar Ruud Lubbers (65) hat sein Amt niedergelegt. Lubbers beteuerte jedoch erneut seine Unschuld. "Trotz aller Loyalität (zu den Vereinten Nationen) muss ich offen sagen, dass ich nicht nur verletzt bin, sondern mich jetzt auch in meiner Ehre getroffen fühle", hieß es in seinem Rücktrittsschreiben an UN-Generalsekretär Kofi Annan, das am Montag in New York vorlag.

Dem ehemaligen Ministerpräsidenten der Niederlande war in einem Untersuchungsbericht wiederholtes Fehlverhalten gegenüber weiblichen Mitarbeitern im Genfer UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) vorgeworfen worden. Er habe sich zu dem Schritt entschlossen, um den wegen einer Reihe von Skandalen innerhalb seiner Behörde unter Druck stehenden UN-Generalsekretär nicht noch weiter in Verlegenheit zu bringen, schrieb Lubbers am Montag in einem Brief an die UNHCR-Mitarbeiter. Seine reguläre Amtszeit wäre erst Ende dieses Jahres abgelaufen. Der 65-Jährige bot an, die Amtsgeschäfte so lange weiterzuführen, bis ein Nachfolger gefunden ist.

Annan nahm das Rücktrittsgesuch an und sprach Lubbers seinen Dank für die Hingabe und Zuwendung aus, die er Flüchtlingen in aller Welt entgegengebracht habe. Zugleich begrüßte er, dass jetzt "ein neues Kapitel" beginnen könne. Dies liege im besten Interesse des UN-Flüchtlingshilfswerks, seiner Mitarbeiter und der Flüchtlinge. Die anhaltende Kontroverse um Lubbers' Person habe sein Verbleiben im Amt unmöglich gemacht, ließ Annan über seinen Sprecher erklären.

Eine 51 Jahre alte Mitarbeiterin hatte im Mai 2004 Anzeige wegen sexueller Belästigung gegen Lubbers (65) erstattet. Annan wies ihre Vorwürfe damals als "nicht nachweisbar" zurück. Inzwischen wurde bekannt, dass Lubbers die Frau im Büro "an sich gezogen und an seine Lenden gepresst" hatte. In weiteren vier Fällen soll er weibliche Mitarbeiter "sexuell berührt" oder auch auf sein Hotelzimmer eingeladen haben - mit der Begründung, sich einsam zu fühlen. Die Frauen gaben gegenüber Ermittlern an, sie hätten aus Angst vor beruflichen Nachteilen auf eine Anzeige verzichtet.

Nach einem Gespräch mit Annan am Freitag hatte Lubbers den Gedanken an einen Rücktritt vor Journalisten noch weit von sich gewiesen. Der UN-Chef teilte der Presse jedoch unverblümt mit, bei dem Treffen, an dem auch der neue Kabinettschef von Annan, Mark Malloch Brown teilnahm, sei "die Zukunft von Herrn Lubbers" erörtert worden. In diplomatischen Kreisen hieß es am Montag, Annan habe Lubbers mit dem Rauswurf gedroht und Vorbereitungen für ein Verfahren gegen den Niederländer treffen lassen.

Die Affäre um Lubbers, der bei den UN das Hilfsprogramm für 20 Millionen Flüchtlinge in 120 Ländern seit 2001 leitete, hatte das Ansehen der UN zunehmend in Misskredit gebracht. Annan sieht sich zudem mit dem Korruptionsverdacht gegen das "Öl für Lebensmittel"- Programm im Irak sowie mit Vorwürfen über die sexuelle Ausbeutung von Kindern in Kongo durch Blauhelm-Soldaten konfrontiert.

Der Niederländer war 1982 zum jüngsten Regierungschef seines Landes gewählt worden. Nach seiner steilen Karriere in den Niederlanden gelang es ihm jedoch in den 90er Jahren nicht, EU-Kommissionspräsident und später NATO-Generalsekretär zu werden. 2001 übernahm Lubbers dann die Leitung des UNHCR. (APA/dpa/AP)