Bild nicht mehr verfügbar.

Premier Gross erfuhr bei einem Staatsbesuch in Paris von der Zuspitzung der Koalitionskrise.

Foto: REUTERS/Emmanuel Fradin
Seit Wochen stehen Tschechiens Regierungschef Stanislav Gross und seine Gattin Šárka wegen einer Reihe von Affären unter Beschuss von Opposition und Medien. Nun haben die Ungereimtheiten im Zusammenhang mit dem sechs Jahre zurückliegenden Wohnungskauf des Ehepaars Gross sowie den unternehmerischen Aktivitäten von Šárka Grossová zu einer ernsten Krise in der Prager Koalition aus Sozialdemokraten, Christdemokraten und liberaler Freiheitsunion geführt.

Zunächst forderte der Vorsitzende der Christdemokraten (KDU-CSL), Miroslav Kalousek, den Regierungschef am Mittwoch auf, zurückzutreten oder Maßnahmen zu ergreifen, um den Schaden für das Ansehen des Landes im Ausland zu verringern. Gross solle zudem alle Begleitumstände des Wohnungskaufs darlegen. Weiters forderten die Christdemokraten den Premier auf sicherzustellen, dass Frau Grossová während seiner Amtszeit nicht mehr unternehmerisch tätig wird. Zudem sollten alle Koalitionsparteien umgehend die Öffentlichkeit informieren, sollten sie Verbindlichkeiten haben, die höher als 30 Millionen Kronen (eine Million Euro) sind.

Die Sozialdemokraten ihrerseits gingen am Donnerstag in die Offensive. Sozialminister und Vizeparteichef Zdenek Škromach drohte der KDU- CSL indirekt mit dem Ende der Koalition. "Ich denke, wir werden eine progressive Lösung vorschlagen – vielleicht werden sich dann Herr Kalousek und seine Kollegen wundern", sagte Škromach. Der Minister, der als innerparteilicher Rivale von Gross gilt, unterstützte damit die bisherige Vorgangsweise des Premiers, der von der Zuspitzung der Lage in Tschechien während eines zweitägigen offiziellen Besuchs in Frankreich überrascht wurde. Von Paris aus ließ auch Gross die Christdemokraten wissen, sie könnten, wenn sie wollten, auch die Koalition verlassen.

Der Regierungschef kündigte an, seine Frau werde ihre Aktivitäten vorübergehend ruhen lassen und die Geschäfte einer Anwaltskanzlei übergeben. Die seit einigen Tagen dauernde Kritik an Šárka Grossová hängt mit der Finanzierung eines Hauses zusammen, das sie vor einem Jahr für ihre Firma erworben hatte.

Für den Kredit in der Höhe von sechs Millionen Kronen (200.000 Euro) soll eine Freundin von Frau Grossová gebürgt haben, gegen die seit Längerem wegen Versicherungsbetrugs ermittelt wird. (DER STANDARD, Printausgabe, 18.2.2005)