Synonym für Luxus und eine besondere Art des Reisens ist der Orient-Express auf seiner östlichen Route mit Halt in Bukarest.

Foto: orient-express.com

Die Kabinen strahlen Behaglichkeit aus.

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Hier kann das Badezimmer der Ceausescus besichtigt werden.

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Man steht nicht alle Tage im Badezimmer eines Diktators. Aber falls es sich zufällig ergibt, sollten Lichtempfindliche ihre Sonnenbrillen nicht vergessen. Es gleißt und blendet nämlich wie nicht gescheit in der Bukarester Villa. Goldener Mosaikbelag, goldene Armaturen, Pfauen statt Tapeten, Goldrausch auch in den Zimmerfluchten davor.

So ähnlich wie die Räume ihrer einstigen Villa dürften Mr. und Mrs. Ceau¸sescus Schweizer Notgroschen ausgesehen haben. Ja sogar das mitreisende Ehepaar aus Dallas zeigt sich beeindruckt. Man kann es an den spitzen Schreien erkennen und dann am prüfenden Blick, an der unausgesprochenen Frage, wie sich solche Details wohl zu Hause machen würden.

Schließlich soll Reisen ja bilden, und außerdem wollen Mum & Dad aus Osteuropa was mitbringen. Für später. Für die Enkelkinder und das Hausmädchen aus Puerto Rico. Daher die überraschende Frage an den rumänischen Guide: Ist Goldmosaik pflegeleicht?

Das war am Dienstag

Am Dienstag standen Bukarest plus Nacht im Hotel auf dem Programm. Eine verunsichernde Stadt. In den Auslagen hauptsächlich Fellmützen, das Sortiment aufgelockert durch Deodorants und überteuerte Schokoriegel auf halb leerem Filz. Vor dem Parlament eine lange, dürre Skulptur, die auf eine Art Thron gefläzt, lange Bronzefinger ausstreckt. Irgendwie beunruhigend das Ganze, von den Cafés gar nicht erst zu reden. Das typische Bukarester Café macht heute in Casino-Café-Restaurant. Es gibt roten moldawischen Sekt, gluckernde Spielautomaten, Champignonschnitzel und jede Menge Glückspilze.

Letztere sitzen in dicken Autos und Anzügen vor den jeweiligen Casino-Cafés herum und warten auf Fortuna oder Ilona oder vielleicht nur auf ihren Chef, der drinnen mit einem anderen Chef und Ilona Champignonschnitzel isst. Schon die Musiker waren Furcht einflößend wild: Am Baneasa-Bahnhof standen sie da, rumänische Teufel mit Panflöten in der Hand, und mit authentischen Falten rund um das Lachen herum. Viel Schnaps, noch mehr Zigaretten zeichnen sich darin ab, man arbeitet schließlich hart an so einem Gesicht, aber das eigentliche Überleben sichert den Teufelsflötisten und Wahnsinnsgeigern trotzdem die Musik. Der gelegentliche Job mit dem Orient-Express etwa, der von Zeit zu Zeit hier hält, zählt dazu. Eine Hand voll gut Betuchter kommt dann an, in einem nachtblauen Traum von einem Zug, mit Stewards in weißen Glacéhandschuhen und messingblanken Knöpfen und goldenen Säumen an dunkelblauen Uniformen.

Später erwartet uns ein Luxusrestaurant

Eines mit drei Räumen in bester Art-déco-Manier und mit geätzten Glasreliefschönheiten und edlen Blumenstraußfurnieren, mit schwarzen Lackpaneelen in feinster Chinoiseriemode, mit elegant grünem Samtmobiliar und Menschen in feiner Dinerkleidung. Von allem das Allerbeste, um es kurz zu machen: französischer Chef, japanischer Gemüseschneide-Samurai hinter den Kulissen, italienische Kellner sowieso, denn wer sonst hätte die Nerven, das leichte Rütteln und den denkbar engen Raum des Restaurants auf Dauer zu verkraften.

Denn es handelt sich schließlich um einen Zug, nicht irgendeinen, sondern den bekanntesten der Welt, seit jeher ein Synonym für Luxus und eine besondere Art des Reisen, seit Agatha Christie auch einer besonderen Art des Sterbens.

2577 Kilometer arbeitet sich der Venice-Simplon-Orient-Express auf seiner östlichen Route von Istanbul kommend nach Venedig, und die Länder die er dabei durchquert, blenden sich wie in einem Diavortrag ein. Bilder à la Emir Kusturica mitunter, samt Gänsen und Typen mit aufgenähten Inflations-Geldscheinen am Revers, und mit bewohnten, von Wäsche beflaggten, ausrangierten Wagons, deren Reise neben alten Abstellgleisen zu Ende ist und die trotzdem ein echtes Revier markieren.

Unmittelbar zwischen den Hummerscheren des servierten Abendessens tauchen sie auf, verschwinden im Takt der Wagenräder, werden abgelöst vom Blick auf die tristen Felder des Banat, aber auch auf die grandiosen Wälder der grenznahen bulgarischen Bergwälder - Schlaglichter einer ganz anderen Reise, die Versatzstücke osteuropäischen Alltags ins getäfelte Wagoninnere werfen, und den sensibleren Gästen der Restaurantswagons eine Art doppelten Boden unter die Lackschube schieben.

Es sei denn, man betrachtet diese Art der Fortbewegung als das, was sie schon in den 20er-Jahren, zur Blütezeit des Orient-Express, war - nämlich als eine Art grandioses Kostümabenteuer. Zeit für diverse Rückblenden bleibt dabei allemal, und der rote Faden ergibt sich ohnehin von selbst. Es ist der rote Faden eines seit jeher auf Fiktion begründeten Transits.

Stilgerechtes Orient-Express-Vorspiel

Wer in Istanbul das stilgerechte Orient-Express-Vorspiel anstrebt, kommt im legendären Hotel Pera Palace noch heute auf auf seine Kosten und darf später an der tatsächlich nostalgisch anmutenden Sirkesi-Station dem Komparsen mit dem roten Fes ein türkisches Teegläschen aus der Hand greifen.

Vor allem aber heißt es Platz nehmen im bestfurnierten Kokon der Eisenbahngeschichte, einem jener privaten Abteile, die die heutigen Betreiber mit allem Aufwand in der originalen Eleganz restaurieren ließen. 23.000 Arbeitsstunden pro Wagon flossen dabei ein, und das sieht man ihnen auch an. Budapest, Wien, Venedig lautet der spätere Streckenverlauf. Doch da ist der Kontrast zwischen Innen und Außen bereits auf bekannte Erfahrungshorizonte heruntergedimmt.

Bleibt immer noch das rumänische Sinaia, einer jener Orte, an dem die Liebe zur Kulisse noch unverfänglich ist. "Perle der Karpaten" tauften die Hohenzollern die Sommerresidenz des Königs von Rumänien einst. Im Glanz dieser Bau-Perle, nämlich des Schloss Peles, spiegelt sich auch der Wunsch nach den Kulissen des Gestrigen wider: deutscher Renaissance-stil, ein österreichischer k. u. k. Architekt, spitzgiebelige Türmchen, Zinnen, Schindeln wie im Schwarzwald, dazu geschnitzte Einrichtungen und Geheimfächer in allen Nuancen zwischen Ahorn und Zeder. Dann passiert der Orient-Express noch die Heimat des Volkshelden und Walachenprinzen Graf Vlad, den die Laune eines britischen Schriftstellers zum Vampir gemacht hat. Düster schieben sich die Ränder der Karpaten an die Gleise heran, aussteigen und zu Fuß weitergehen möchte man auch hier. (Der Standard/rondo/18/02/2005)