STANDARD: Wie kommt es, dass Sie nach längerer Pause nun wieder mehrfach auf der Leinwand zu sehen sind?
Dustin Hoffman: Ich habe im Durchschnitt einen Film pro Jahr gemacht. Vor drei Jahren habe ich eine Pause eingelegt, weil mir die Drehbücher einfach nicht gefielen. Mir selbst fiel gar nicht auf, wie schnell die Zeit verging. Bis meine Frau sagte: "Jetzt hast du schon so lange nicht mehr gearbeitet. Du wirst langsam ein bisschen seltsam."
STANDARD: War der sanfte Druck Ihrer Frau größer als die schlechte Qualität der Scripts?
Hoffman: Ich habe meine Auswahlkriterien geändert. Früher wollte ich, dass vom Drehbuch über den Regisseur bis zu meiner Rolle alles perfekt ist. Meine Frau meinte, ich solle diese Maßstäbe über Bord werfen: Sie machten mich nur unglücklich.
STANDARD: Haben Sie sich mit Ihrem Filmpartner Robert De Niro über dieses Thema auch unterhalten?
Hoffman: Wir haben uns über intime Dinge unterhalten, aber darüber nicht. Bob und ich haben vier Filme in den letzten 15 Jahren zusammen gedreht. Beim ersten Mal hatte einer von uns ein großes persönliches Problem. Das hat uns sofort verbunden und eine Freundschaft entstehen lassen. Beim nächsten Film hatte der andere seine große Krise, was unsere Freundschaft noch intensiver werden ließ. Obwohl wir uns zwischen den Filmen nie sehen, herrscht bei jedem neuen Projekt sofort eine sehr starke, emotionale Beziehung zwischen uns.
STANDARD: Wie war's mit Barbra Streisand, die in Meine Braut, ihre Schwiegereltern und ich Ihre Gemahlin spielt?
Hoffman: Einzigartig. Wir haben zur gleichen Zeit die Schauspielschule in New York besucht. Ich war damals sogar der Freund von ihrer Mitbewohnerin. Und die erzählte mir ständig, was Barbra für eine gute Sängerin wäre. Nach fast vierzig Jahren haben wir nun endlich einmal zusammen einen Film gemacht – und das sogar als Ehepaar. Ich glaube, man spürte da schon eine gewisse Vertrautheit auf der Leinwand.
STANDARD: Wie viel von Ihnen steckt in diesem alten Hippie, den Sie hier spielen?
Hoffman: Ich würde mich eher als jungen Hippie sehen wollen (lacht). Und ja: Bei mir ist es so, dass in jeder Rolle etwas von mir selbst stecken muss. Die Rolle hier hat sehr viel mit mir zu tun. Schon allein deshalb, weil es für mich zum Aufregendsten im Leben gehört, Tabus zu brechen.
STANDARD: Ist Amerika dafür derzeit nicht das falsche Land?
Hoffman: Ich habe Amerika noch nie so polarisiert erlebt wie derzeit. Das ist das eigentliche Thema des Films. Auf der einen Seite haben wir De Niro, der sich als Familienvater nicht vorstellen kann, dass seine erwachsene Tochter jemals Sex haben wird. Auf der anderen Seite sind wir die Hippie-Eltern, die ihre Wertvorstellungen aber genauso rigide auf ihren Sohn (gespielt von Ben Stiller) übertragen: Jeder Wettbewerb gilt ihnen als verwerflich, deswegen durfte der Sohn nur Pfleger, aber nicht Arzt werden.
STANDARD: Ist das nicht ein bisschen viel Anspruch für eine kommerzielle Komödie?
Hoffman: Jede gute Komödie basiert auf ernsthaften Anliegen. Ein guter Witz kann mehr verändern als jede Rede oder ein Aufsatz. Denn gute Pointen kommen überraschend. Beim Lachen sind wir dann regelrecht schockiert über unsere eigene Erkenntnis. Sagt ein Mann zu seiner Frau: "Warum sagst du mir nie, wenn du einen Orgasmus hat?" Antwortet die Frau: "Weil du nie anwesend bist!" Aus dieser Situation können Sie ganze Aufsätze über das Verhalten von Mann und Frau schreiben.
STANDARD: Hatten Sie als fünffacher Vater ähnliche Erziehungsprobleme wie im Film?
Hoffman: Meine Frau und ich erziehen seit 35 Jahren Kinder. Wir haben Fehler gemacht. Und hoffentlich einige gute Entscheidungen getroffen. Ich glaube, es ist eine enorm wichtige Erkenntnis, dass ein Kind nicht die Verlängerung oder bloße Projektionsfläche seiner Eltern ist. Ich selbst hatte, wie mein Bruder, keine besonders angenehme Kindheit. Ich will dieses persönliche Thema nicht zu sehr vertiefen. Aber meine Eltern hätten besser keine Kinder haben sollen!
STANDARD: Das klingt fast wie aus Die Reifeprüfung – welche Rolle spielen diese Erinnerungen für Ihren Beruf?
Hoffman: Der kathartische Moment kam, als mir klar wurde, dass ich nur deswegen Schauspieler wurde, weil ich in anderen Gebieten überall versagte. In der Schule sagte man mir, werde Schauspieler, da fällt keiner durch. Es ist seltsam, aber als ich in eine andere Person schlüpfte, fühlte ich mich gut aufgehoben.
STANDARD: Ihre Rollenwahl ist recht ungewöhnlich – weshalb haben Sie sich nie auf einen Typ festgelegt?
Hoffman: Das war weniger Absicht als einfach nur Notwendigkeit. Zu Beginn meiner Karriere musste ich mich zehn Jahre eher schlecht als recht durchschlagen. Ich wurde von einem Vorsprechen zum nächsten durchgereicht: zu klein, nicht gut aussehend, die Nase zu groß. Also ...
STANDARD: Stimmt es, dass Sie eine Fortsetzung von Die Reifeprüfung planen?