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Die Öko-Katastrophe, wie sie Roland Emmerich in "The Day After Tomorrow" sieht. Michael Crichton sieht die Katastrophe eher in "korrupten" und publicitygeilen Öko-Organisationen. Wissenschaftlich fundiert ist seine These freilich nicht.

Foto: REUTERS/20th Century Fox/Handout
In seinem neuen Öko-Thriller "Welt in Angst" enttarnt Michael Crichton die globale Klimaerwärmung als PR-Bluff. Wissen-schaftlich betrachtet bleibt vom Schmöker aber wenig übrig, be-richtet Doris Griesser.

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Die Grundthese von "Welt in Angst" lautet: Die globale Klimaerwärmung ist nichts anderes als Panikmache geld- und publicitygieriger Umweltorganisationen. Um seine Leser von dieser These auch zu überzeugen, hat Crichton den 600 Seiten starken Thriller mit zahlreichen realen Klimadiagrammen gespickt. "Sogar Wissenschaftler", lässt er einen Protagonisten sagen, "melden inzwischen Zweifel an, ob das Problem ernst ist oder überhaupt existiert."

Diese Ansicht teilt der renommierte Klimaforscher Gottfried Kirchengast von der Uni Graz nicht unbedingt: "Auch wenn es in einzelnen Aspekten der Klimaforschung noch keinen Konsens gibt, steht doch der Treibhauseffekt aufgrund verstärkter Emissionen von Treibhausgasen außer Zweifel. Und eine Erwärmung an der Erdoberfläche ist schlichtweg eine zwingende physikalische Folge."

Dass dieser Erwärmungsprozess auch ein natürliches Phänomen sein könnte, wie Crichton nahe legt, scheint dem Wissenschafter äußerst unwahrscheinlich: "Betrachtet man Klimadaten bis 1980, könnte man die Erwärmung mit etwas Mühe noch mit natürlichen Klimaschwankungen erklären. Aber die Daten der letzten 25 Jahre lassen sich ohne menschlichen Einfluss nicht mehr erklären." Die Frage, ob es den vom Menschen verursachten Klimawandel überhaupt gebe, sei demnach ein erledigtes Thema des 20. Jahrhunderts.

Auch Crichtons Bemühungen, den globalen Temperaturanstieg mit der zunehmenden Urbanisierung zu begründen, habe mit dem aktuellen Stand der Klimaforschung wenig zu tun: "Crichton bezieht sich vermutlich auf veraltete Arbeiten. Sonst müsste er wissen, dass die zunehmende Urbanisierung auf die globalen Temperaturtrend-Analysen keinen nennenswerten Einfluss hat." Letztlich betreibe der Bestsellerautor genau das, was er den Umweltorganisationen in seinem Roman unterstellt: "Er instrumentalisiert die Wissenschaft und kümmert sich dabei wenig um den aktuellen Wissensstand."

"Erwärmende" Fakten

Das Gros der Forscher geht jedenfalls davon aus, dass die globale Erwärmung zwischen zwei und sechs Grad betragen wird. Gottfried Kirchengast ist überzeugt, dass "dieser Wert wird wohl nur dann unterschritten werden kann, wenn wir bald viel beherzter Klimaschutzmaßnahmen, etwa bei Energie und Verkehr, ergreifen. Darüber herrscht breiter wissenschaftlicher Konsens."

Der Prozess der globalen Erwärmung sei also unwiderruflich - und unzweifelhaft - im Laufen. Größere Unsicherheiten gebe es, laut dem Klimaexperten, aber noch hinsichtlich der Frage, welche regionalen Auswirkungen dieser globale Vorgang hat. Sicher sei jedenfalls, dass extreme Wetterereignisse wie Hitzewellen, Starkregen und Stürme in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen haben.

"Wir haben umfassende Belege über die von der Klimaänderung mitverursachten Naturkatastrophen und die daraus entstandenen Schäden für die vergangenen 50 Jahre", bestätigt Eric Veulliet, Leiter des Zentrums für Naturgefahren Management (alpS) in Innsbruck. "Da lässt sich ein ganz deutlicher Zusammenhang erkennen - wer das nicht sieht, der will es nicht sehen."

Mit seinem neuesten Werk verkündet Michael Crichton, der auch die Romanvorlage für "Jurassic Park" oder das Drehbuch für "Emergency Room" geschrieben hat, eine unter anderem bei der gegenwärtigen US-Regierung wohl höchst willkommene Botschaft. Denn wenn die globale Erwärmung ohnehin nur ein herbeigeredetes Phänomen sein soll, können Wirtschaft und Politik auch so weitermachen wie bisher. "Für die Bush-Administration ist das natürlich ein Persilschein, dem Kioto-Protokoll nicht beizutreten", ärgert sich Veulliet. "Das ist der eigentliche Skandal, weil damit ja auch viele Leser in diese Richtung beeinflusst werden sollen." (Doris Griesser/DER STANDARD, Printausgabe, 14.02.2005)