München - US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat zurückhaltend auf die Initiative des deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) zur Neuordnung der transatlantischen Beziehungen reagiert. Er wolle zuerst den Text lesen und ihn diskutieren, bevor er eine feste Meinung dazu entwickle, sagte Rumsfeld am Samstag bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Schröder hatte den aktuellen Zustand der NATO kritisiert und eine grundlegende Reform des Bündnisses gefordert. Die NATO habe die Anpassung an die veränderte Sicherheitslage in der Welt "noch nicht hinreichend vollzogen", hieß es in der Schröder-Rede.

Kampf gegen Terror fordert "global Anstrengung"

Dazu stellte Rumsfeld fest, die NATO habe einen enormen Wert. "Sie ist wahrscheinlich das eindrucksvollste Bündnis in der Geschichte der Menschheit." Er rief Europa und die USA zu einer engeren Zusammenarbeit auf und. Der Kampf gegen den weltweiten Terrorismus oder die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen könne nicht von einer Nation allein getragen werden, "sie erfordert eine globale Anstrengungen", sagte Rumsfeld am Samstag auf der Münchner Sicherheitskonferenz. "Die NATO ist sehr wertvoll", betonte der US-Minister und relativierte damit die Forderung von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), sie als entscheidendes Forum der transatlantischen Zusammenarbeit zu überdenken.

Gemeinsame Werte

Das transatlantische Bündnis von 26 Staaten baue auf gemeinsamen Werten und einer gemeinsamen Geschichte auf. "Wenn wir zusammenarbeiten, ist nichts unmöglich", sagte Rumsfeld und verwies auf die Beiträge zur Befreiung und zu den demokratischen Wahlen in Afghanistan und im Irak. "Ich glaube nicht, dass wir die NATO heute zu Grabe getragen haben - im Gegenteil, sie zeigt viel Energie und Vitalität", betonte der Chef des Pentagons.

Auch NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer widersprach der Forderung der rot-grünen deutschen Bundesregierung. "Die Allianz wächst, gedeiht und blüht", sagte er. Die vorhandene Strukturen müssten nur intensiver genutzt werden. Schröder hatte in einer von Verteidigungsminister Peter Struck verlesenen Rede gesagt, die NATO sei "nicht mehr der primäre Ort, an dem die transatlantischen Partner ihre strategischen Vorstellungen konsultieren und koordinieren". Hierfür müssten neue Strukturen gefunden werden.

Gemeinsame Feinde

Rumsfeld sagte, die transatlantische Gemeinschaft habe schon "schwere Wasser durchfahren", sei aber durch gemeinsame Werte, gemeinsame Ziele und eine gemeinsame Geschichte verbunden: "Wir konnten uns aufeinander verlassen in Zeiten der Gefahr." Amerika und Europa hätten gemeinsame Feinde: "Extremisten haben alle zivilisierten Gesellschaften ins Fadenkreuz genommen", fuhr Rumsfeld fort. "Ein Land allein kann diese Extremisten nicht besiegen." Inzwischen beteiligten sich 90 Nationen an diesem Kampf. Es brauche auch "die Zusammenarbeit vieler Nationen, um die Verbreitung von Atomwaffen zu verhindern". Sie dürften "nicht in die Hände gefährlicher Regimes geraten", warnte Rumsfeld: "Proliferation ist eine globale Sorge, und sie erfordert globale Anstrengungen."

Über den Irak habe es Differenzen zwischen den USA und einigen europäischen Staaten gegeben, "aber solche sind zwischen alten Alliierten nicht neu", sagte der Minister und erinnerte an den Rückzug Frankreichs aus der NATO-Militärorganisation in den 60er oder die Nachrüstungsdebatte in den 80er Jahren. Doch jedes NATO-Land habe Truppen in Afghanistan, wo erstmals seit 5.000 Jahren demokratische Wahlen abgehalten worden seien, und mehr als Hälfte der NATO-Staaten habe Truppen im Irak. Die Wahlen dort hätten "ein wichtiges Signal" an die Terroristen gesendet. "Die Iraker sind stolz, auf das, was sie erreicht haben", sagte Rumsfeld, der erst in der Nacht aus dem Irak nach München gekommen war.

Zugleich forderte der US-Verteidigungsminister erneut internationale Unterstützung für den Wiederaufbau im Irak und in Afghanistan ein. Viele Nationen seien nötig, um den Irakern und Afghanen dabei zu helfen, erfolgreich Demokratien aufzubauen, sagte er.

Struck bringt Schröder-Anliegen vor

Schröder sprach sich für die Einrichtung eines hochrangigen Gremiums unabhängiger Persönlichkeiten aus, das bis zum Jahr 2006 Vorschläge für eine Reform erarbeiten soll. "Auf der Grundlage dieser Analyse und Anregungen könnten dann die erforderlichen Schlussfolgerungen gezogen werden." Es habe in den vergangenen Jahren "Missverständnisse, Belastungen, Misstrauen, gar Spannungen über den Atlantik hinweg" gegeben. Die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts könnten aber nur gemeistert werden, wenn die transatlantischen Beziehungen eng und intakt seien.

Zugleich bekräftigte Schröder den deutschen Anspruch auf einen Ständigen Sitz Deutschlands im UNO-Sicherheitsrat. Deutschland habe sein Verständnis seiner internationalen Rolle verändert und sehe sich als "mitverantwortlich für internationale Stabilität und Ordnung". "Unser Wunsch, Deutschland als Ständiges Mitglied im Sicherheitsrat der UNO zu sehen, entspringt diesem auf Legitimation abzielenden Wunsch." Schröder hatte seine Teilnahme an der Tagung wegen einer fiebrigen Erkältung abgesagt. (APA/dpa/AFP/Reuters)