Am Donnerstag hatten gut 50 Mörsergranaten, von radikalen Palästinensern auf jüdische Siedlungen im Gazastreifen abgefeuert, die eben erst verkündete Waffenruhe schlecht ausschauen lassen, am Freitag war es wieder ruhig. Doch es blieb unklar, ob die Warnungen von Mahmud Abbas an die Islamisten Wirkung zeigen oder ob der neue Autonomiechef seine Autorität nicht letztlich doch mit Waffengewalt wird durchsetzen müssen.

Abbas, nach den feierlichen Friedensschwüren beim Nahostgipfel in Sharm el-Sheikh bloßgestellt, wollte am Nachmittag abermals in den Gazastreifen fahren und von der Hamas energisch fordern, "diese Provokationen" einzustellen - sie wären, wie es in einer Erklärung des Fatah-Zentralkomitees hieß, "Versuche, auf gefährliche Weise mit der Zukunft des palästinensischen Volkes zu hasardieren".

Der Gewaltverzicht, den Abbas den Israelis zugesichert hat, fußt auf einem angeblichen Versprechen der Radikalen, eine Zeit lang stillzuhalten. Doch offiziell heißt es von der Hamas nach wie vor, sie müsse zunächst "das Ergebnis des Gipfels studieren". Und der Überfall auf das Zentralgefängnis von Gaza, wo ein bewaffnetes Kommando am Donnerstag drei Häftlinge erschoss und andere befreite, war ein weiteres Indiz dafür, dass die Hamas mit Abbas Katz und Maus spielt.

Während seines Aufenthalts im brodelnden Gazastreifen wird Abbas sich nun nicht nur den Verhandlungen mit den Islamisten, sondern auch dem Umbau des Sicherheitsapparats widmen müssen. Als Reaktion darauf, dass seine bewaffneten Kräfte den Attacken tatenlos zugesehen hatten, hat Abbas zur allgemeinen Verblüffung auf einen Schlag mehr als 20 hohe Offiziere entlassen - darunter General Abdel Rasek Madjeida, den Oberbefehlshaber der "Allgemeinen Sicherheit" im Autonomiegebiet, und General Saeb al-Adjas, den Polizeikommandanten für den Gazastreifen. Beide galten als Günstlinge von Abbas-Vorgänger Yassir Arafat.

Probleme für Sharon

Indes hat auch Israels Premier Ariel Sharon ernste Schwierigkeiten mit politischer Opposition, die bis in seine eigene Regierung hineinreicht. Außenminister Silvan Shalom will sich an die Spitze einer Kampagne stellen, die eine Volksbefragung über den Rückzug aus dem Gazastreifen anvisiert. "Ich sage euch, dass es keine Volksbefragung geben wird", schoss Sharon scharf zurück: "Wer für eine Volksbefragung ist, ist gegen den Rückzug." Es könnte passieren, dass Sharon für die kommenden Budget-Abstimmungen keine Mehrheit zusammenkratzen kann und Neuwahlen ausrufen muss. Dann wäre der Prozess der gerade erst begonnene Verständigung wieder unterbrochen. (Ben Segenreich/DER STANDARD, Printausgabe, 12./13.2.2005)