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Grafik "Bombenhagel auf Österreich"

Grafik: APA/M. Schmitt

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Bombenabwurf der 463. Bomber-Gruppe, 772. Bomber-Squadron, 15. US-Luftflotte auf das Gebiet des Grazer Hauptbahnhofes am 2. April 1945.

Foto: APA/Heeresgeschichtliches Museum

Wien – Die US-amerikanische und die britische Luftwaffe haben im strategischen Bombenkrieg gegen NS-Deutschland insgesamt etwa 120.000 Tonnen Bomben über dem heutigen Österreich abgeworfen. Dabei kamen ca. 26.000 Zivilisten ums Leben, 40.000 Menschen wurden verletzt. Die Angriffe galten vorwiegend militärischen Zielen wie der Kriegsindustrie und den Verkehrswegen; zu Flächenbombardements und Brandteppichen wie in deutschen Städten kam es nicht. Dennoch wurden – vor allem auf Grund mangelnder Präzision – auch in österreichischen Städten viele Wohngebäude und historische Bauwerke zerstört oder schwer beschädigt.

Am stärksten betroffen war Wiener Neustadt, wo 40 Prozent der Gebäude total zerstört wurden, weitere 48 Prozent wurden beschädigt. In Villach zogen die alliierten Bomben 85 Prozent der Gebäude in Mitleidenschaft, in Klagenfurt 69 Prozent. Graz wurde mit 58 Einsätzen am häufigsten angegriffen, gefolgt von Wien (52), Klagenfurt (48), Villach (37) und Wiener Neustadt (29).

Erster Angriff

Der erste dokumentierte Luftangriff in Österreich wurde am 6. April 1941 von jugoslawischen Flugzeugen auf den Grazer Frachtenbahnhof durchgeführt. Ziel war, den deutschen Nachschub für den deutschen Angriff auf Jugoslawien zu treffen. Bereits in der Früh hatte die deutsche Luftwaffe ohne Kriegserklärung Belgrad flächendeckend bombardiert, wie zuvor etwa die Städte Rotterdam und Coventry.

Die Prioritäten des Luftkrieges gegen das Deutsche Reich legten die Alliierten 1941 fest. An erster Stelle sollten die Bomber deutsche Flugzeugmontage- und Flugmotorenwerke unschädlich machen. Lange Zeit blieb Österreich allerdings außerhalb der Reichweite von Langstreckenbombern. Gerade deshalb verlegte die deutsche Führung kriegswichtige Industrien in die "Ostmark".

Kaum Gegenwehr

Der erste alliierte Flugangriff über Österreich kam für die deutsche Luftabwehr unerwartet. Am 13. August 1943 nahmen 83 in Tunesien gestartete US-Bomber die Wiener Neustädter Flugzeugwerke ins Visier. Sie stießen kaum auf Gegenwehr. Die Illusion von der sicheren Ostmark war dahin: Die Produktionsanlagen wurden empfindlich getroffen, aber auch Wohnhäuser. 185 Menschen starben. Weitere Angriffe auf Wiener Neustadt folgten im Oktober und November. Die Werksanlagen von Messerschmitt, Henschel, Steyr-Daimler-Puch, die Raxwerke erlitten starke Schäden. Bomben trafen zudem das Stadtzentrum und Arbeiterhäuser am Rande der Stadt.

Nach der Invasion in Italien konnte die alliierte Luftwaffe ihre Angriffe schon bald vom süditalienischen Foggia aus starten. Die Versorgungslinie der Wehrmacht über den Brenner war am 15. Dezember erstmals das Ziel. Neben Gleisanlagen wurde in Innsbruck auch das Stadtzentrum in Mitleidenschaft gezogen. In der Folge gingen Bomben auf die Eisenbahn im Raum Klagenfurt und Ende Februar auf die Flugzeug- und Kugellagerindustrie in Steyr nieder.

Am 17. März 1944 griff die US-Luftwaffe erstmals die Treibstoffindustrie in Wien an; im April häuften sich die Attacken: Steyr, Wien, Bad Vöslau, abermals Wiener Neustadt und Fischamend waren die Zielorte im Vorfeld der Invasion in der Normandie. Die Royal Air Force verminte die Donau, was den Haupttransportweg für rumänisches Erdöl nach Deutschland nahezu zum Erliegen brachte.

Rückschläge für die Alliierten

Es gab aber auch Rückschläge für die Alliierten: Am 26. Juni schoss die deutsche Fliegerabwehr 37 von 550 Bombern ab, die Ölziele in Wien und Moosbierbaum anvisiert hatten. Während eines der wenigen nächtlichen Anflüge wurde einige Tage später ein britisches Geschwader von deutschen Jagdfliegern zersprengt. Die Bomberbesatzungen versuchten im Tiefflug nach Süden zu entkommen und rammten dabei Berggipfel.

Am 10. September heulten die Warnsirenen in Wien. Die Zivilbevölkerung wurde völlig überrascht. Wohngegenden und der Ballhausplatz bekamen Treffer ab, 791 Menschen wurden getötet. "Terrorangriff auf Wien", titelten NS-Zeigungen. Doch die Stimmung begann zu kippen. Wenige Tage nach dem Angriff trat an die Stelle der allgemeinen Verwirrung Nervosität und Grauen, wie der US-Historiker Evan Burr Bukey schreibt. Bis Mitte Oktober nahm die allgemeine Apathie und Resignation durch ständigen Fliegeralarm weiter zu; die Versorgung mit den wichtigsten Dienstleistungen verschlechterte sich. Im Prater entstand ein Schwarzmarkt mit geplünderten Waren.

Hauptziele

Bis zum Jänner 1945 lagen die Prioritäten der Allierten weiter auf Kriegsfabriken und Ölanlagen. Die alliierte Rüstungsproduktion erreichte mittlerweile unglaubliche Ausstoßmengen. Die Verbände konnten trotz der Verluste ständig vergrößert werden. Zugleich brachte die "Öloffensive" die deutsche Kriegswirtschaft ernsthaft in Bedrängnis: Die Monatsproduktion an Flugzeugtreibstoffen lag im April 1944 noch bei 175.000 Tonnen, bis September 1944 sank sie auf nur 5.000 Tonnen; am 1. März 1945 brachten 600 Bomber das Donau-Chemie-Werk in Moosbierbaum endgültig zum Erliegen.

Im Jänner 1945 verlegten die Allierten das Hauptaugenmerk auf die Transportwege. Angriffe auf Verkehrspunkte in Wien, Linz, Graz, Klagenfurt, Villach, Salzburg und am Brenner führten wiederholt zu Blockaden des Nachschubs für die Süd- und Südostfront. Bei Flugwetter griffen die Bomber nun fast täglich Ziele in Österreich an. Die Alliierten hatten die Lufthoheit über Österreich so gut wie errungen. Doch die Kapitulation blieb aus.

Am 13. Februar 1945 bekam Wien den bisher schwersten Angriff zu spüren. 837 Bomben zerstörten unter anderem alle Bahngebäude der Stadt. In diesen Wochen dürften in Wien eine äußerst angespannten Stimmung entstanden sein. Bukey zu Folge brachten die alliierte Bomber ganze Arbeiterviertel an den Rand eines Aufstands gegen das NS-Regime.

Angriff auf die Ölraffinerie

Die größte Einzeloperation der US-Luftwaffe erfolgte am 12. März 1945. Das Hauptziel – die Ölraffinerie in Floridsdorf – kam vergleichsweise glimpflich davon. In den Innenbezirken Wiens wurden hingegen die NS-Dienststellen im Heinrichshof getroffen, die Staatsoper gegenüber brannte in der Folge aus. Das Gestapo-Hauptquartier am Morzinplatz wurde dem Erdboden gleich gemacht. 200 Menschen hatten im Keller des Philliphofs Zuflucht gesucht. In dem Wohnhaus schlug eine Bombe ein – die meisten der Eingeschlossenen kamen ums Leben. Große Schäden entstanden am Kunsthistorischen Museum, dem Burgtheater, der Hofburg und dem Volkstheater.

Nicht schwer getroffen wurde – wie oft geglaubt wird – der Stephansdom. Plünderer hatten im April in anliegenden Geschäften Feuer gelegt – Funkenflug setzte dann den Nordturm in Brand. Den letzten strategischen Angriff flogen alliierte Verbände am 1. Mai 1945 auf Salzburg. Fliegerbomben zerstörten den Hauptbahnhof. Erst am 7. Mai unterzeichnete die Wehrmachtsführung die bedingungslose Kapitulation. (APA)