Wien - "Die deutschen Dialekte sind heute in Tschechien, wo sie jahrhundertelang einen Platz hatten, im Aussterben begriffen." Mit diesem Satz beginnt die kurze Inhaltsangabe am Rücken eines Buches, das am Dienstag im Sprachinselmuseum in Wien präsentiert wurde. Die Sprachwissenschafterin Renee Fürst versucht darin die Reste der deutschen Sprache nördlich der niederösterreichisch-tschechischen Grenze darzustellen. "Deutsch(e) in Südmähren - Historischer Hintergrund, aktuelle Situation, dialektale Merkmale", lautet der Titel.

Anschaulich mit Grafiken, Tabellen, Landkarten und Sprachkarten stellt Fürst die Geschichte der deutschen Sprache im Untersuchungsgebiet dar. Keine einfache Aufgabe. "Deutschsprachige in Südmähren? Da werden Sie niemanden mehr finden! - Diesen Satz habe ich in den letzten Jahren immer wieder gehört", gesteht die Autorin. Drei Jahre harte Feldforschung waren dem Buch vorangegangen.

Erkenntnisse

Das Deutsche, das zu Zeiten der Habsburger-Monarchie noch als privilegierte Sprache galt, wandelte sich. In der ersten tschechoslowakischen Republik (1918-38) wurden Deutsche zur ethnischen Minderheit, sie waren aber durch Minderheitenschutz-Bestimmungen nicht in ihrer nationalen Existenz bedroht. Nach dem Zweiten Weltkrieg und nach den Massenvertreibungen verwendeten diejenigen, die bleiben durften, das Deutsche nur mehr als Privatsprache. Die Verbliebenen verbrachten fast 50 Jahre in sprachlicher Isolation, abgeschnitten vom deutschsprachigen Ausland. Die Sprache entwickelte sich somit nicht weiter, sie wurde quasi konserviert.

In 23 Tonbeispielen im Anhang auf CD kann sich der Leser davon überzeugen. Ein Beispiel: "Na dorten, den Dialekt kann ich nicht dorten in Deutschland. Da unten in Bayern ja: 'ja mei, geh zu, schick di, ja freilich'. Die, sie sind ein bisserl verwandt da mit den Österreichern, gell, die Bayern. Aber die anderen - Rheinland und, und überhaupt da rauf, da Norden zu - die reden alle nach der Schrift, gell, mit dem Dialekt käme ich da nicht weit", sagt eine Untersuchungsperson aus Klein-Teßwitz (Dobsice).

Alle Untersuchungspersonen waren voll "dialektkompetent" und haben im Großen und Ganzen den Sprachstand von 1945 bewahrt. Dies erklärt Fürst, die etwa 100 "kompetente Mundartsprecher" fand, meist zwischen 65 und 90 Jahre alt. Ihr Fazit: "Auch wenn man einerseits wohl von den letzten Resten früherer Deutschsprachigkeit in Südmähren sprechen muss, so haben sich diese andererseits sprachlich, und vor allem dialektal, als sehr lebendig erwiesen." (APA)