Töchtertag 2004: Damals besuchten 1200 Mädchen 55 Betriebe. Bei Opel Austria lernten sie spielerisch löten.
Foto: Opel
Bei der Berufswahl sind althergebrachte Rollenbilder noch immer nicht durchbrochen. Eine Ursache ist die mangelhafte schulische Berufsorientierung.

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Wien - "Wir haben die derzeit bestausgebildetsten Frauen, die es je gab", ist die eine Bilanz, die Frauenstadträtin Sonja Wehsely (SP) ziehen kann - schließlich liegt seit 2000 der Frauenanteil bei den bestandenen Reifeprüfungen bei rund 55 Prozent.

Wenn es dann aber um die Berufswahl geht, schaut das Rollenbild allerdings aus wie in altvaterischen Zeiten: Unter den weiblichen Lehrlingen wählen 20,7 Prozent immer noch: "Friseurin". Beim Lehrberuf Kfz-Mechaniker liegt der Frauenanteil immer noch bei 1,2 Prozent. Tischler? Nur 4,3 Prozent der Lehrlinge sind weiblich.

Das setzt sich fort bis hin in den universitären Bereich: Bei geisteswissenschaftlichen Studienrichtungen dominieren die Frauen mit 76 Prozent - bei Technikstudien grundelt der Frauenanteil bei 20 Prozent. Bei Elektrotechnik, Maschinenbau und Mechatronik sind es gar nur sechs Prozent.

Immerhin ortet die Wiener Wirtschaftskammerpräsidentin Brigitte Jank leichte Änderungen: "Bei Unternehmensgründungen ist der Frauenanteil bereits bei 35 Prozent."

Um die Situation nachhaltig zu verändern, könne der Wiener "Töchtertag" nur ein Stein in einem großen Puzzle sein (Wehsely) - schließlich könne man nicht von einem Tag auf den anderen ändern, was sich über Jahrzehnte in den Köpfen festgesetzt hat (Jank).

"Schule wie Beruf werden schon sehr stark danach ausgewählt, was aus dem Umfeld bekannt ist", erklärt Andrea Leitner, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Höhere Studien (IHS) im Gespräch mit dem STANDARD. Daher seien "Töchtertage" sinnvoll, da immerhin einmal "andere Möglichkeiten aufgezeigt werden". Helfen könnte auch eine bessere Berufsorientierung in den Schulen, wobei Leitner kritisiert: "Auch in den Schulen ist das oft noch viel zu sehr auf das typische Mädchenbild ausgerichtet."

Weniger Einkommen

Nicht anders verhält es sich offenbar im Berufsalltag. Leitner: "Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass sich Frauen in klassischen Männer-Berufsbereichen eher unwohl fühlen. Umgekehrt ist das nicht so." Und: "Man braucht sich nur die Einkommensstruktur ansehen, da schaut es für Frauen nicht besser aus als in den von ihnen dominierten Jobs."

Auch Elisabeth Gräfinger von der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (Forba) bemängelt die schulische Vorbereitung: "Die Berufsorientierung ist mangelhaft." Vor allem in naturwissenschaftlichen Fächern wäre es auch sinnvoll, geschlechtsspezifisch zu unterrichten, meint Gräfinger. Und um eine größere Gleichstellung erreichen zu können, schlägt sie der Gemeinde Wien eine neue Aktion vor: den "Söhnetag".

Dem Vorschlag - auch Burschen klassische Frauenjobs wie Kindergärtnerin schmackhaft zu machen - kann Wehsely viel abgewinnen: "Das wäre sehr wichtig. Aber mit dem Töchtertag würde ich das keinesfalls vermischen." (DER STANDARD, Printausgabe 08.02.2005)