Auch in Österreich galten Moore lange Zeit nur als "saure Wiesen". Jetzt sind Osteuropas ausgedehnte Feuchtbiotope durch Raubbau für die Torfgewinnung in Gefahr.

Foto: WWF/Substral
Wien/Talinn - Zwei Euro, sagt Noel Gumy von der Firma Intertoresa, koste es derzeit, um in einem estnischen Moor einen Kubikmeter Torf abzubauen. Zwei Euro - ein Preis, um den "ein Waldarbeiter in Österreich oder Deutschland höchstens einmal einen Nadelbaum umkreist".

Aus mitteleuropäischen Nadelbäumen gewinnt Gumys Firma das Produkt Toresa, einen von mehreren Ersatzstoffen für den in Blumenerde als Lockerungsmittel beliebten Torf. Der Grundbestandteil von Toresa, Nadelbäume, wächst rasch nach, dagegen legt Torf in den Mooren nur um einen Millimeter pro Jahr zu. Doch dieser ökologische Vorteil kann den preislichen derzeit nicht wettmachen.

Mit "Riesenanlagen" trockneten Torfabbauer aus Westeuropa in den baltischen Staaten, der Ukraine und Weißrussland derzeit die obersten Moorschichten ab und ernteten großflächig Torf, schildert Helmut Wittmann von Institut für Ökologie der Universität Salzburg die Situation. Von den Einheimischen, die ihre Moore oft als "Brachland" missverstünden, hätten sie sich die Abbaurechte auf Jahre hin gesichert. Noch seien die Ressourcen groß: Estland allein bestehe zur Hälfte aus so genannten Feuchtlebensräumen.

"Fehlentwicklung"

Im Sinne einer globalisierter Gewinnmaximierung, sagt Winkler, sei dieses Geschäft ein gutes: Den Thujen im Garten und den Geranien auf den Balkonen zuliebe griffen in reichen Staaten immer mehr Hobbygärtner zu torfhaltigen Blumenerden. In den Torf-Herkunftsländern jedoch drohe sich dadurch "eine Fehlentwicklung zu wiederholen, wie wir sie aus Westeuropa in der Zeit nach 1945 kennen".

In Deutschland wie in Österreich wurden die Moore damals durch Siedlungsdruck und Torfabbau - Kompostbenutzung galt als unfein - unwiederbringlich auf rund ein Prozent der Landesfläche reduziert. Ihre tierischen und pflanzlichen Bewohner, weiß Günter Lutschinger, Österreich-Geschäftsführer des World Wide Fund for Nature (WWF), stünden heute alle auf der Roten Liste der gefährdeten Arten; auch wenn in Mitteleuropa inzwischen rigide Moorschutzrichtlinien gelten.

Ersatzmittel wie Toresa wurden entwickelt, als der Stoff aus dem Moor knapp zu werden drohte. "Doch kurz nach dem Fallen des Eisernen Vorhangs gab es wieder Zugriff auf viel Torf", weiß Lutschinger. Heute sieht er im Ersatzmittel eine Überlebensperspektive für die osteuropäischen Moore: Es gelte, die westeuropäischen Konsumenten von Ökoblumenerde zu überzeugen.

Zum Beispiel durch eine Promotiontour, wie sie die Firma Substral Naturen gemeinsam mit dem WWF bis 2008 in Österreich und Deutschland plant. Wobei in diesem Zusammenhang laut Florian Schwap von der Firma Substral Großbritannien als Vorbild gilt: Seit 2005 ist dort ein Gesetz in Kraft, wonach 40 Prozent aller angebotenen Blumenerde frei von Torf sein muss. (Irene Brickner/DER STANDARD, Printausgabe, 7. 2.2005)