Wien - Eine AK-Analyse der Lehrstellensituation zeigt zu Jahresbeginn die größte Lehrstellenlücke, seit es ein Berufsausbildungsgesetz gibt - also seit 1969. "Die Lehrstellenkrise ist dramatisch, die Regierung muss das Auffangnetz zur Jugendausbildung nachbessern", fordert AK-Präsident Herbert Tumpel.

4.000 Plätze in überbetrieblichen Lehrwerkstätten gefordert

Das Minus zwischen offenen Lehrstellen und Lehrstellensuchenden wuchs österreichweit von 11.225 Anfang 2004 auf 13.776 Anfang 2005, bis 2007 wird die Lehrstellenlücke weiter auf prognostizierte 14.309 Personen wachsen.

"Auffangnetz" zu grobmaschig

Für den AK-Chef ist es in dieser Situation "zu wenig, dass im Auffangnetz zur Jugendausbildung nur einige hundert Plätze in überbetrieblichen Lehrwerkstätten eingerichtet werden, in denen die Jugendlichen ein Recht auf Abschluss der Ausbildung haben, während der Großteil der Plätze für nur 10-monatige Lehrgänge vergeben wird." Tumpel fordert bis zu 4.000 Plätze in überbetrieblichen Lehrwerkstätten.

Im Auffangnetz zur Jugendausbildung sind derzeit 7.300 Plätze für zehnmonatige Lehrgänge vorgesehen, aber nur 300 in überbetrieblichen Lehrwerkstätten, in denen die Jugendlichen ein Recht auf Abschluss der Ausbildung haben. Dies sei zu wenig, kritisiert Tumpel, "die Jugendlichen und ihre Eltern brauchen die Sicherheit, dass sie im Auffangnetz den Lehrabschluss machen können."

Lastenausgleich

Die Wirtschaft fordert Tumpel zu einem Lastenausgleich zwischen nicht ausbildenden und ausbildenden Betrieben auf.

Anfang 2005 hatten österreichweit 15.648 Lehrstellensuchende keine Lehrstelle im Betrieb. 4.399 brauchen sofort eine Lehrstelle, 4.643 sind in kurzfristigen Kursen des AMS, 6.606 sind in 10-monatigen Auffangnetz-Lehrgängen und sollen auch rasch eine Lehrstelle im Betrieb finden. Ihnen bietet die Wirtschaft 1.872 offene Lehrstellen. Daraus ergibt sich die aktuelle "Lehrstellenlücke" von 13.776 Plätzen.

Mitterlehner: Panikmache nicht angebracht

Nach den Worten von ÖVP-Wirtschaftssprecher Reinhold Mitterlehner ist Panikmache jedoch nicht angebracht. "Es gilt in diesem Bereich nichts zu beschönigen, andererseits sind jedoch auch Zahlenspielereien, die die Situation in einem übertrieben ungünstigen Licht darstellen, wenig hilfreich", erklärte Mitterlehner zu Tumpels Aussagen.

Die Zahl der (sofort verfügbaren) Stellen sei im Jahresschnitt 2004 mit 5.375 um 104 bzw. 1,9 Prozent unter dem Vorjahr gelegen. Wie Mitterlehner in einer Presseaussendung der ÖVP betonte, sei es weder sinnvoll noch Ziel führend, diesen Zahlen eine völlig andere Größe - die der Teilnehmer von Schulungsmaßnahmen des Arbeitsmarktservice - noch dazuzurechnen.

Zum einen Teil handle es sich bei letzteren nicht um Lehrstellensuchende, sondern um Jugendliche, die bereits im Arbeitsprozess standen und nunmehr arbeitslos wurden und jetzt vom AMS höher qualifiziert werden. Zum anderen handle es sich um Personen, die bereits in Maßnahmen des Auffangnetzes untergebracht sind und damit nicht ein zweites Mal als Bedarf für ein zukünftiges Netz gerechnet werden dürften, unterstrich Mitterlehner.

"Positive Entwicklung"

Eine mittelfristige Prognose der Lehrstellenlücke sei unter den gegebenen Umständen noch mit hohen Unsicherheiten behaftet. Wie der ÖVP-Politiker weiter ausführte, sei "jedoch auf alle Fälle davon auszugehen, dass auch im Gefolge der prognostizierten internationalen Konjunkturerholung die Zahl der offenen Lehrstellen wieder ansteigen wird".

So sei Ende Jänner der Bestand der beim AMS gemeldeten sofort verfügbaren offenen Lehrstellen um 9,9 Prozent (plus 204 auf 2.274) angestiegen. Die Zahl der in nächster Zukunft zur Verfügung stehenden offenen Lehrstellen sei Ende Jänner sogar um 16,2 Prozent (plus 789 auf 5.665) über dem Vorjahreswert gelegen. "Angesichts dieser positiven Entwicklung sollte keine 'Panikmache' betrieben werden", schloss Mitterlehner. (red/APA)