Wien - So ganz scheint sich die Wiener Staatsoper von der rauschenden Ballnacht vom vergangenen Donnerstag doch noch nicht erholt zu haben. Denn am Samstag reichte die Kraft vorerst einmal gerade noch für einen - wohl höchst passablen - Konzertevent.

Weil Edita Gruberova - was man ihr nachfühlen kann - ihre Probleme mit vor skurrilen Ambitionen überbordenden Regisseuren hat, wollte sie ihr Debüt in der Titelpartie von Vincenzo Bellinis Norma von jeglichen szenischen Anweisungen unbehelligt feiern.

Da sie mit diesen Reserven allerdings bestimmt nicht ganz allein dasteht, wäre es freilich denkbar, dass nicht nur die Staatsoper in Zukunft ihr Repertoire ausschließlich konzertant präsentiert, sondern auch Burg- und Akademietheater ihre Klientel nur noch mit gepflegten Leseaufführungen - von Schillers Don Carlos zum Beispiel oder auch von Elfriede Jelineks/Christoph Schlingensiefs Bambiland - bedient.

Ein solcher radikaler Paradigmenwechsel hätte zweifellos auch sein Gutes: Die drückenden Budgetsorgen wären sehr bald von den Bundestheatern auf die bald ausgedünnten Portefeuilles diverser (zu) hoch bezahlter Regiestars verlagert. Zumal die Staatsoper immerhin den überzeugenden Beweis erbrachte, dass man auch mit einer Norma als Stehparty reüssieren kann.

Gesang als Botschaft

Natürlich nur mit Edita Gruberova in deren Zentrum. Mit besonders viel Fantasie begabte Zeugen ihres berechtigten musikalischen Triumphes mögen aus ihrem Gesang den Inhalt der Oper entnommen haben.

Das wäre in diesem Fall beinah ein kränkender Befund. Die zu einem tragischen Ende führenden privaten politischen Konflikte einer keltischen Priesterin, um die es da geht, sind für sie nur die Startrampe zum gewagten Vorstoß in unerschlossene Gefühlsbereiche, die sich (wie jede bedeutende und bedeutsam interpretierte Musik) der verbalen Schilderung entziehen. Edita Gruberovas Gesang wurde zur ebenso intimen wie vieldeutigen Botschaft.

Besonders erfreulich, dass die tönende Assistenz dem Inhalt dieser Mitteilungen durchaus angemessen war, in einem Fall sogar diese Inhalte selbst verbreitete: Mit dem bulgarischen Mezzo Nadia Krastevas als Adalgisa war für Norma eine Gegenspielerin aufgeboten, deren warmes Timbre und technisch beherrschten wie gefühlsintensiven Interventionen verhinderten, dass der Abend zu einem isolierten Gruberova-Solo wurde.

Dem wurde auch durch Salvatore Litrica vorgebeugt, der mit markantem Tenor als römischer Besatzungsoffizier Pollione zwischen den beiden Damen zu lavieren hatte, aber wie auch Dan Paul Dumitrescu als Oberdruide trotz sängerisch intaktem Einsatz den etwas müden Charakter einer konzertanten Aufführung nicht verändern konnte.

Durch das vom Graben erstmals ins helle Licht der Bühne gehobene Orchester (Wilhelm Holzbauer und Dieter Irretsberger haben diese für Konzertzwecke in Goldfalten gelegt) und durch den im Hintegrund aufgefädelten Chor blieb der Eindruck der theatralischen Verfälschung den ganzen Abend präsent.

Schluss mit Jubel

Trotzdem trug Marcello Viotti vom Pult aus durch die Vielfalt der dynamischen Schattierungen, mit denen er die Sänger begleitete, wesentlich dazu bei, dass dieser Staatsopernabend außerhalb der Norm zu einer laut bejubelten Norma wurde.

Am Ende der Vorstellung gelang im Haus am Ring übrigens auf epochale Weise erstmals der Sprung über die Zeitschwelle: Auf den kleinen Textmonitoren wurde man Samstagabend (5. Februar) auf eine Ballettaufführung am 31. Jänner hingewiesen.

Also: Zeitmaschine anwerfen und nichts wie hin! Vielleicht wird's wieder konzertant, und Solotänzer und Corps stehen reglos vor dem auf der Bühne aufgebauten Orchester. (DER STANDARD, Printausgabe vom 7.2.2005)