Franz-Olivier Giesbert
Der Schlächter
Deutsch Natalie Freund-Giesbert. € 19,90/300 Seiten. Picus Verlag 2005.

Bild: Picus Verlag

Schriftsteller ist sein Zweitberuf: Bekannter wurde Franz-Olivier Giesbert als Herausgeber des Nouvel Observateur und als Chefredakteur von Le Figaro. Seit dem Jahre 2000 gibt er Le Point heraus, das politische Gegenstück zum linksliberalen L'Express. Romane und Biografien hat er veröffentlicht, nun wagt er sich in ein neues Genre vor.

Der Schlächter ist als Kriminalroman angelegt. Es gibt einen Serialkiller, Leichenteile und eine Ermittlerin. Was Giesbert aber von anderen Krimiautoren unterscheidet, ist seine hochdifferenzierte Sprache, die Einlassungen zur Philosophie und die oft ganz plötzlich hervorbrechende Aggressivität, mit der er spießige Nebenfiguren zeichnet.

Man hat bald den Verdacht, dass Giesbert grundsätzlich kein Menschenfreund ist und eigentlich Karikaturen von Honoré Daumier beschreibt. Boshaft und abrupt führt er seine Ermittlerin immer wieder in die Irre, legt falsche Fährten und entwickelt Parallelgeschichten wie die vom Millionär, der seine krebskranke Frau liebevoll pflegt und für sie grauenvolle Gedichte schreibt.

Geht man davon aus, dass die Haut, das größte Organ des Menschen, uns von der Außenwelt trennt und bewahrt, dann scheinen die massiven Hautkrankheiten der Figuren uns etwas sagen zu wollen. Die Ermittlerin leidet an schwerer Neurodermitis und kratzt sich mit Genuss tiefe Wunden, ein Arzt leidet an Porphyrie, der realmedizinischen Entsprechung zum mythischen Vampir.

Er ist so lichtempfindlich, dass schon der kleinste Sonnenstrahl seine Haut verätzt. Er arbeitet im Abgedunkelten und braucht Bluttransfusionen. Irgendwie scheint es logisch, dass da allerlei aus dem psychischen Gleichgewicht geraten ist.

Dann gibt es da noch einen zartbesaiteten, naturverbundenen Schlächter, in den sich die Ermittlerin verliebt. Dieser merkwürdige Mann hat eine preziös-sentimentale Rechtfertigungsphilosophie für seinen Job entwickelt: eine Mischung aus Pantheismus, Reinkarnation und nekrophiler Erotik. Das nervt in seiner andauernden Schwülstigkeit. Schließlich lässt Giesbert den listig angelegten Verdachtsmomente-Dschungel ins Fantastische kippen.

Da es ihm an Humor eher fehlt, scheint er die vorgeschlagene "Aufklärung" der gruseligen Köpfungen ernst zu meinen. Der Schlächter ist ein seltsamer Zwitter; raffiniert in der Sprache, wenn auch zeitweise unerträglich, pathetisch, spannend im Perspektivenwechsel - erst am Schluss wird der eigentliche Erzähler geoutet -, verstörend in seiner Rigidität und absurd im Schlussbild mit seiner in Lebenslügen eingebetteten Mutterrollenfixierung. Ein Buch der Ambivalenzen. (DER STANDARD, Printausgabe vom 5./6.2.2005)