Ab März ist der Darmstädter Ökonom Bert Rürup neuer Chef der fünf deutschen Wirtschaftsweisen. Regelmäßig wird er dann der rot-grünen Regierung erklären, dass das Land weitere Reformen brauche. Schon jetzt spricht sich Rürup für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer aus.

Allerdings müsse dieser Schritt an Reformen geknüpft sein. Eine Anhebung sei "sinnvoll", wenn die derzeit 16-prozentige Steuer "zum Beispiel im Zusammenhang mit einer Finanzierungsreform des Gesundheitssystems oder der Arbeitslosenversicherung und nicht zuletzt einer Reform der Unternehmensbesteuerung" erhöht werde, sagt Rürup im Spiegel. Dann könne eine Anhebung wie eine Investition wirken, "die sich in wenigen Jahren amortisiert".

Eichel gegen Steuererhöhung

Ähnliche Pläne gibt es in Schleswig-Holstein. Auch SPD-Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) möchte die Mehrwertsteuer erhöhen, damit die Sozialsysteme speisen und so die Lohnnebenkosten senken. Zwar berät eine Arbeitsgruppe darüber, die SPD-Spitze zeigt sich bis jetzt jedoch wenig aufgeschlossen. Vor allem Finanzminister Hans Eichel hat sich stets gegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ausgesprochen.

Dass es noch vor der Bundestagswahl 2006 zu weiteren Reformen kommen werde, hat SPD-Chef Franz Müntefering angekündigt. So müsse die SPD über eine Anhebung des faktischen Rentenalters diskutieren. In absehbarer Zeit werde man nicht mehr mit 60, sondern erst mit 63 in den vorzeitigen Ruhestand gehen können. Müntefering hält auch eine Debatte über die Altersgrenze 65 für den Pensionsantritt für unvermeidbar. Allerdings müsse man die individuelle Zahl der Arbeitsjahre berücksichtigen. Rürup hat die Anhebung des Pensionsantrittsalters von 65 auf 67 Jahre bereits als "unbedingt erforderlich" bezeichnet.

Kritik wegen Abkehr von Stabilität

Im Herbst will die Koalition laut Müntefering eine Vorentscheidung über die Zukunft der Pflegeversicherung treffen. Sie könnte als eigene Versicherung erhalten oder ins System der Krankenversicherung eingegliedert werden.

Bei der geplanten EU-Richtlinie für einen grenzenlosen Dienstleistungsmarkt fordert nun auch der deutsche Kanzler Gerhard Schröder Änderungen. Die Richtlinie dürfe nicht zu einer Nivellierung nach unten führen, Deutschland habe eine hohe Qualität von sozialen Dienstleistungen. Für Schröders Vorstoß, die Maastricht-Kriterien aufzuweichen, gab es Kritik von Rürup. Wenn sich dies durchsetze, könne sich jedes Land künftig seine drei Prozent nach Belieben zusammen rechnen. (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5./6.2.2005)