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Gusenbauer 2005: "Schwarz-Blau am Ende - Österreich verdient Besseres"

Foto: APA/Artinger
Andreas Khol und Alfred Gusenbauer sind einer Meinung - zumindest in der Beurteilung der Auswirkungen der EU-Sanktionen. "Die Sanktionen haben die neue Regierung gefestigt, unterstützt, im Volk verankert und die ÖVP- und FPÖ-Regierungsmitglieder zu einem Team zusammen geschweißt", schrieb der ehemalige ÖVP-Klubchef und jetzige Nationalratspräsident Khol in seinen Aufzeichnungen.

Und auch SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer sagt heute: "Die Maßnahmen der EU-14 haben der Regierung zu einer Stabilität verholfen, die sie zu Beginn 2000 noch nicht hatte. Die Sanktionen haben ihr über die erste Zeit hinweggeholfen, zu einem Patriotismusreflex geführt und eine normale innenpolitische Auseinandersetzung verhindert. Die Sanktionen waren für die Regierung sehr nützlich."

Dass diese Sanktionen, wie von ÖVP-Politikern stets behauptet von der SPÖ "erfunden" und vom damaligen Bundeskanzler Viktor Klima bei einem abendlichen Dinner unter europäischen Sozialistenchefs anlässlich der Holocaust-Konferenz im Stockholmer Rathaus lanciert worden sei, sei "blanker Unsinn". Gusenbauer im STANDARD-Gespräch: "Die ÖVP soll sich bei dieser Geschichtsfälschung zurückhalten. Die Sanktionen sind eindeutig von konservativen Kreisen ausgegangen. Von Frankreichs Präsident Jacques Chirac, von Jose Maria Aznar und dem belgischen Außenminister Louis Michel." Das seien die Drahtzieher der Sanktionen gewesen.

Der Vorwurf, er habe in der Zeit der Sanktionen mit den "Gegnern Österreichs champagnisiert", ärgert Gusenbauer noch heute: "Das ist absolut geschmacklos. Jeder weiß, dass der besagte 8. Mai in Frankreich Feiertag ist und dort das Ende des zweiten Weltkrieges gefeiert wird."

Die Bilanz dieser fünf "Wendejahre" fällt in der Gusenbauer-Replik oppositionell vernichtend aus: Am Ende dieser fünf Jahre stehe heute Rekordarbeitslosigkeit, die höchste Verschuldung und mehr Armut. Aus der Regierung sei die Luft heraußen, aber "der Wurm drinnen". Gusenbauer in seiner Bilanzpressekonferenz am Donnerstag: "Die Regierung versinkt in Streit und Hader, Österreich verdient sich etwas besseres." Käme die SPÖ ans Ruder, würde die SPÖ sofort im Bereich der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik sowie im Bildungsbereich gegensteuern.

ÖVP-Generalsekretär Reinhold Lopatka warf die Kritik der SPÖ als "Krankjammerei jenseits jeder Realität" zurück. Für FPÖ-Generalsekretär Uwe Scheuch lenke die SPÖ nur ab, sie könne keine Alternativen anbieten. Gusenbauer sei lediglich ein "Möchtegern-Kanzler".

Aber auch bei Grünen-Chef Alexander Van der Bellen erweckt die Koalition nach fünf Jahren einen bereits passiven Eindruck. Er ortet "Unlust und Lähmung". Keiner der Minister verkörpere wirklich glaubwürdig die Leidenschaft, Zukunftsfragen lösen zu wollen. Die Regierung trage nun die Folgen ihrer Versäumnisse - wie etwa die hohe Arbeitslosigkeit, die mit einer "Wallfahrt nach Mariazell" nicht zu beseitigen sei. (Walter Müller /DER STANDARD, Printausgabe, 4.2.2005)