Die Irisch-Republikanische Armee (IRA) hat in der Nacht zum Donnerstag ihre Bereitschaft zur kompletten Abrüstung widerrufen. In einer bedrohlich und scharf formulierten Erklärung beschuldigte die Untergrundorganisation die britische und die irische Regierung, ihre eigenen Zusagen gebrochen zu haben. Der Präsident der IRA-nahen Sinn-Féin-Partei, Gerry Adams, begründete die Trotzreaktion der IRA mit der "Rückschrittlichkeit" der Regierungen.

Anfang Dezember war eine umfassende Einigung unter den nordirischen Parteien über eine Rückkehr zur Selbstverwaltung in letzter Minute gescheitert. Teil dieser Vereinbarung wäre die Abrüstung der IRA bis zu Weihnachten gewesen.

Ursprünglich schien es, als ob der Wunsch der radikalen Unionistenpartei von Pfarrer Ian Paisley nach Fotos von vernichteten Waffen die Verhandlungen torpediert hatte. Nachträglich stellte sich jedoch heraus, dass die IRA sich geweigert hatte, öffentlich auf ihre kriminellen Aktivitäten zu verzichten.

Der Rückzug der IRA vom politischen Prozess verändert die gegenwärtige Lage nicht dramatisch, denn seit dem Banküberfall in Belfast vom 20. Dezember, als 38 Mio. Euro von der größten Geschäftsbank Nordirlands gestohlen wurden, ist das Vertrauensverhältnis zwischen der irischen Regierung und Sinn Féin zerstört.

Der irische Premierminister, Bertie Ahern, und sein eigener Polizeichef teilen die Einschätzung der nordirischen Polizei, dass die IRA den Bankraub verübt hatte.

Zwar gibt es noch keine Beweise für diese Behauptung und keine Verhaftungen, aber die beiden Regierungen sind felsenfest von der Schuld der IRA überzeugt.

Ahern hat sich in den letzten Tagen mehrfach in deutlichen Worten darüber beklagt, die Führung der Sinn- Féin-Partei habe während der letzten Verhandlungsrunde vom geplanten Bankraub gewusst. Der irische Premier fühlt sich nun hintergangen. (DER STANDARD, Printausgabe, 4.2.2005)