Wien - "Ich will nichts behaupten oder beweisen mit meinen Filmen, sondern eher etwas berühren. Ich möchte mich etwas annähern, es für mich selber entdecken." Der, der diesen "essayistischen Anspruch" äußert, ist der Schweizer Regisseur Peter Liechti. 1983, nach einem abgebrochenen Medizinstudium, einem Lehramtsstudium und freier Berufstätigkeit als Kunstvermittler, macht der 1951 Geborene "erste Filmexperimente".
Seit Mitte der 80er-Jahre dreht er eigenwillige Dokumentationen. Zu seinen Sujets hat er einen unbeirrbar persönlichen Bezug. Das passt zunächst gut ins landläufige Bild, das von den eigenbrötlerischen (Deutsch-)Schweizern kursiert. Und dieses Bild - und seine realen Bezugspunkte - werden in Liechtis Filmen nicht selten zum Gegenstand der Reflexion. "Switzerland, Switzerland" lauten die ersten Worte, die in Liechtis jüngstem Film, Namibia Crossing (2004), zu hören sind: Eine namibische Sängerin sucht auf einem Globus vergeblich nach der Heimat der Eidgenossen - "Ihr müsst von einem anderen Planeten sein", lacht sie schließlich.
Austauschversuche
Diese Anekdote, die Liechti an den Beginn des Films montiert, wird später bedeutsam: Der Filmemacher begleitet ein multinationales Projekt - Musiker aus der Schweiz sind nach Namibia gereist, um mit dort ansässigen Kolleginnen und Kollegen in Austausch zu treten. Ein Monat lang probt man gemeinsam, fährt über Land, um mit lokalen Musikgruppen zu spielen.
Das Unterfangen bleibt nicht konfliktfrei. Der Wunsch nach Austausch, so zeigt sich, ist "unterschiedlich motiviert". Spirits & Limits lautet der Untertitel, den Liechti seinem Film gegeben hat, und die Grenzen treten allmählich zutage, während zugleich auch zunehmend Relikte der kolonialen Vergangenheit und deren Effekte ins Bild geraten.
Einmal wird in Namibia Crossing im Zuge der Austragung größerer Glaubensdifferenzen auch übers Rauchen debattiert. Die beiläufige Szene ist vielleicht auch deshalb im Film, weil das Rauchen Liechti zuvor einen ganzen Film lang beschäftigt hat: In Hans im Glück (2003) ziehen die Versuche des Filmemachers, sich von seiner Nikotinsucht zu befreien, ausgedehnte Wanderungen durch seine Heimatkantone nach sich.
Als Fußgänger macht Liechti alsbald die Bekanntschaft von alpinen Freizeitsportlern oder älplerischen Brauchtumspflegern. Und sein Off-Kommentar beschäftigt sich in gleich bleibend mürrischem Tonfall mit der eigenen Befindlichkeit und jenen größeren sozialen und politischen Zusammenhängen, die sich am Rande manifestieren.
Der Film verdichtet sich so zu einem hintergründigen Schweizporträt. Die Entwöhnungsversuche schlagen immer wieder fehl. Das Moment des Scheiterns ist, wenn man so will, ein weiteres Liechti-Thema. Im Aktionskünstler Roman Signer hat der Filmemacher dafür einen trefflichen Partner gefunden: Signers Koffer (1996) dokumentiert dessen tragikomische Selbstversuche, allerhand pyrotechnische Experimente oder kunstvolle Abstürze von Modellhubschraubern.
Auch hier ist also eine Grundhaltung anzutreffen, die das Ausloten und Ausprobieren über das Erreichen einer klaren Zielvorgabe stellt - ein Zugang, der nicht zuletzt gegenüber Fördergremien Hartnäckigkeit verlangt.
(Selbst-)Porträt