Zum zweiten Mal hat ein amerikanisches Gericht die auf Guantanamo geübte Antiterrorpraxis der Regierung Bush verurteilt. Es widerspreche der Verfassung, befand eine Bundesrichterin, wenn mutmaßliche Terroristen offenbar bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag in einem Status völliger Rechtlosigkeit gehalten werden. Schon im Vorjahressommer war der Supreme Court zu einem vergleichbaren Schluss gekommen.

Richterin Joyce Hens Green hat mit ihrem Urteil eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit bekräftigt, über die sich die Bush-Regierung in ihrem antiterroristischen Eifer schon viel zu lange hinwegsetzt. Im Kampf gegen Al-Kaida und Konsorten ist Guantanamo die Erbsünde.

Just jene Rechte, die man gegen den Terror schützen will, werden dort mit Füßen getreten. Seit Jahren laufen Anwälte und Menschenrechtsorganisationen Sturm gegen eine völlig undurchschaubare Inhaftierungspraxis. Selbst ein Bush so wohl gesonnenes Blatt wie der Economist hat sich wiederholt scharf gegen Guantanamo ausgesprochen. Vergebliche Liebesmüh: Das Weiße Haus hat sich bisher weder von der Kritik aus den Medien noch von der aus den Gerichten beeindrucken lassen. Auch diesmal wurde angekündigt, dass man mit Richterin Green mitnichten einverstanden sei.

Dennoch ist dieses Urteil ermutigend, weil man es auch als ein kräftiges Lebenszeichen der amerikanischen Demokratie werten kann. Es zeigt auch, dass die Gerichte wieder stärker auf ihre eigenständige Rolle innerhalb des Verfassungsgefüges pochen. Krisenzeiten wie die nach 9/11 spielen der Exekutive in die Hand. Wenn unmittelbarer Angriff auf Leib und Leben droht, erwartet man von ihr Schutz und stellt rechtsstaatliche Bedenken hintan. In der zweiten Amtszeit von George scheinen Kongress, Gerichte und Medien immer weniger gewillt, widerspruchslos vor der Regierung abzuducken. Auch wenn diese noch so oft den großen Terrorteufel an die Wand malt. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.2.2005)