Kathmandu/Wien - Nepal ist in vielerlei Hinsicht ein einzigartiges Land. Es beherbergt nicht nur die höchste Erhebung des Planeten, den Mount Everest (8848 Meter), sondern ist auch das einzige hinduistische Königreich der Welt. Zugleich kämpfen dort auch mehr als eineinhalb Jahrzehnte nach dem Ende des Kommunismus noch maoistische Rebellen um die Machtübernahme. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass sich das bettelarme Himalaya-Land erst vor fünf Jahrzehnten der Außenwelt geöffnet hat. Die Auseinandersetzung zwischen dem Machtanspruch der Monarchie und Demokratisierungstendenzen bescherte dem Land seitdem Regierungskrisen am laufenden Band.

Die wirtschaftlichen und sozialen Daten des von 27 Millionen Menschen bewohnten Landes sind miserabel. Mit einem Bruttonationalprodukt von 230 Dollar (176 Euro) zählte Nepal im Jahr 2002 zu den ärmsten Ländern der Welt. 38 Prozent der Menschen leben unter der Armutsgrenze, die Lebenserwartung liegt bei 60 Jahren, die Analphabetenrate bei 56 Prozent. Im "Human Development Index" der Vereinten Nationen, der die Lebensqualität misst, liegt Nepal auf Platz 140 von 177 Staaten.

Trotz mehreren Anläufen ist dem Land, das seit 1768 als zentralisiertes Staatswesen existiert, bisher noch keine dauerhafte Demokratisierung gelungen. Der im Volk äußerst unpopuläre König Gyanendra sieht sich seit seiner Thronbesteigung 2001 nicht nur mit den maoistischen Rebellen, sondern auch unbotmäßigen Oppositionsparteien konfrontiert, gegen die er sich seit drei Jahren nur mit autoritärer Herrschaft zu helfen weiß. Nach blutigen Massenprotesten setzte er im Juni 2004 den Oppositionspolitiker Sher Bahadur Deuba wieder als Ministerpräsident ein und versprach, innerhalb eines Jahres Wahlen abzuhalten. Mit der am Dienstag erfolgten Entlassung Deubas dürfte dieses Versprechen nun wohl hinfällig geworden sein.

Gyanendras Herrschaft stand von Anfang an nicht unter einem guten Stern, schließlich entsprang sie einer menschlichen Tragödie. Der Bruder des damaligen Königs Birendra wurde unfreiwillig nepalesischer Monarch, nachdem Kronprinz Dipendra im Juni 2001 seine Eltern Birendra und Aishwarya sowie sieben weitere Familienmitglieder erschossen und daraufhin Selbstmord verübt hatte.

Den ersten Kontakt zur Weltpolitik hatte Nepal Anfang der 19. Jahrhunderts, als sich die Briten die Kontrolle über die Außenpolitik des Königreichs sicherten. Wichtigstes "Exportgut" des Landes waren damals die Gurkha-Söldner, die seit 1816 in der britischen Armee dienen und wegen ihrer legendären Furchtlosigkeit auch als Leibwächter sehr beliebt sind.

Von 1846 bis Mitte dieses Jahrhunderts wurde das Bergland von dem Feudalgeschlecht der Ranas beherrscht, das die Königsdynastie völlig entmachtet hatte. Erst 1951 gelang es König Tribhuvan, die Autorität der Krone wiederherzustellen. Damit begann auch die vorsichtige Öffnung des Landes und eine Reformpolitik, die sich in Richtung einer konstitutionellen Monarchie bewegte. Nach dem Sieg der Kongresspartei bei Parlamentswahlen brach König Mahendra (1955-72) dieses Experiment ab und errichtete 1962 das "parteilose" Panchayat-Ständesystem.

Unter dem seit 1972 regierenden König Bihendra verschärfte sich die politische Auseinandersetzung. Bei einem Referendum im Mai 1980 stimmten nur 54,8 Prozent der Nepalesen für das Panchayat-System. Vor allem unter der städtischen Intelligenz nahm die Unzufriedenheit mit dem autoritären Regierungssystem zu. Demonstrationen für Freiheit und Demokratie führten Anfang 1990 in Kathmandu und zahlreichen weiteren Städten zu schweren Unruhen, die blutig niedergeschlagen wurden.

Im April 1990 musste der Hof schließlich kapitulieren und schrieb freie Wahlen aus. Kongresspartei und Vereinigte Linksfront bildeten nach ihrem Wahlsieg im Mai 1991 eine Übergangsregierung. Diese arbeitete einen Verfassungsentwurf aus, der die Vollmachten der Krone drastisch beschnitt.

Seitdem geriet Nepal von einer Regierungskrise in die nächste, seit 1996 kämpfen zudem maoistische Rebellen gegen die Monarchie und für eine Landreform zu Gunsten der landlosen Bauern. Die Guerilla-Truppe, die Teile von Nord- und Westnepal kontrolliert, zählt mittlerweile 25.000 Kämpfer. In dem "Volkskrieg" gegen die Regierung wurden bisher 11.000 Menschen getötet. Die Rebellen haben starken Zulauf unter der jungen Landbevölkerung; zwei Fünftel der Nepalesen sind jünger als 15 Jahre. (APA/dpa)