Auch als Buch: Die besten Stadtgeschichten aus dem Stadtgeschichten - Archiv - zum Wiederlesen & Weiterschenken. "Wiener Stadtgeschichten" mit Illustrationen von Andrea Satrapa-Binder, Echomedia Verlag Ges.m.b.H., ISBN 3-901761-29-2, 14,90 Euro.

Es war vorgestern. Aber wie lange das Schild schon orange leuchtet, konnte auch A. nicht sagen. Vor drei Wochen war das Schild, das irgendeiner da einmal in der Euphorie des Gründens in die Gasse gehängt hatte, jedenfalls noch weiß gewesen. So wie immer. Nur die Aufschriften hatten gewechselt. Fast im Monatsrhythmus.

„Jetzt also orange“, hatte A. gesagt. „Ob das was bringt?“ In der Früh sahen wir dann, dass auf dem orange leuchtenden Wirtshausschild auch „Orange“ stand. „Orange Café“. Klingt immerhin eine Spur weniger holprig als „Das Kamin“. Aber länger als „Das Kamin“ wird es „Orange Café“ auch nicht machen. Obwohl „Das Kamin“ es mit einem Trick versucht hat: Die Betreiber hatten einen Zettel mit „wir machen Urlaub“ in die Tür gepickt – wann der endete und der Konkurs begonnen hat, konnte so keiner sagen.

Das kleine Lokal steht eigentlich immer leer. Auch, wenn es in Betrieb ist: Vor „Das Kamin“ hatte es – unter anderen, die Liste ist unvollständig – „Böhm & Sum“, „Ali Baba“ und „Luna“ geheißen (siehe ddie dazugehörige Stadtgeschichte aus dem August 2003). Dazwischen auch die Namen der Betreiber geführt. Ich habe sie mir nicht gemerkt. Knapp bevor „Das Kamin“ zu „Orange Café“ geworden ist, hat das Lokal dann gar keinen Namen gehabt. Dafür winkten ein paar sehr hochhackig lackbestiefelte und umso kürzer berockte Damen mit zuviel Volumenspray in den Wasserstofflocken vorbeigehenden (Männern) durch die offene Tür zu.

Aber nicht einmal das hatte mich dazu verleiten können, das Lokal auch nur auf einen Drink zu betreten – und offenkundig war/bin ich da nicht der Einzige: Es reichte nicht einmal zu spießbürgerlicher Empörung, einer Razzia oder einer Bürgerinitiative. Seit es das Lokal gibt, habe ich – obwohl ich schon routinemäßig versuche, zu sehen, ob sich hinter den milchigen Scheiben irgendwer/irgendwas bewegt – noch nie einen Gast drin gesehen. Knapp nach Umbenennungen sitzen zwar meist drei oder vier Leute an der – immer gleichen, nie auch nur neu gestrichenen - Bar und schauen zur Tür. Wenige Tage später ist da nur mehr die Kellnerin. Nach ein paar Wochen ist auch die weg – bis ein neuer Name auf dem Schild in der Gasse steht.

Auf dem Lokal, meint A. liege ein Fluch. Einer, den die Gäste, aber keine Wirtshausgründer spüren, sobald sie sich der Schwelle nähern. Seit ein paar Tagen leuchtet das früher weiße Schild jetzt orange. Daran, dass damit der Fluch aufgehoben ist, glaubt A. nicht: Wir haben es – obwohl wir es uns vorgenommen haben – nicht über die Schwelle von „Orange Café“ geschafft.