Wien, Nordrand

Seit Kurzem befindet sich in Jedlersdorf, im Bezirk Floridsdorf, ein Flüchtlingsheim - eines von mehreren in der Bundeshauptstadt. Eine turbulente Informations­veranstaltung sorgte dafür, dass diese Unterkunft zweifelhafte Berühmtheit erlangte. Gegen das Heim spricht sich der Wiener FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache aus, SP-Bürgermeister Michael Häupl kritisiert dessen "Hasspolitik".

Sonja Fercher und Rainer Schüller berichten für derStandard.at aus "Transdanubien".

(Bild: Eine Plakatwand auf dem Weg zum Flüchtlingsheim)

foto: derStandard.at/rasch

Das AsylwerberInnen-Heim befindet sich in einer ehemaligen Personal-Unterkunft der Österreichischen Bundesbahnen. In der Nachbarschaft: Der Bahnhof und Kleingarten-Siedlungen. Die Lage hier ist äußerst ruhig, einzig das Quietschen der Züge unterbricht die Stille.

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55 Menschen sind bereits eingezogen, sie kommen alle aus Tschetschenien und hoffen darauf, dass ihre Asylanträge bewilligt werden. Im Heim sollen ausschließlich Familien untergebracht werden, es gibt Platz für maximal 150 Menschen.

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Das ehemalige ÖBB-Personalhaus hat mehrere Vorteile, berichtet Oliver Löhlein vom Arbeiter Samariter Bund im Interview mit derStandard.at/Politik: "Es bietet sich auch an, weil es einen Innenhof gibt und relativ viel Grünfläche, wo wir auch einen Kinderspielplatz einrichten wollen. Hinter dem Heim ist auch ein Fußballplatz."

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Es gibt mehrere Trakte, erklärt ein Mitarbeiter des Samariter-Bundes die Struktur des Hauses. Er selbst arbeitet noch nicht lange im Sozialbereich, erst vor zwei Jahren gab er seinen alten Job auf, wo er als Steward auf "Luxusdampfern" gearbeitet hat. Seinen Jobwechsel begründet er so: "Manche kommen eben erst spät auf die soziale Ader, aber besser als gar nicht."

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Die verschiedenen Sektionen sind mit Buchstaben bezeichnet.

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"Am Anfang verirrt sich hier fast jeder", berichtet Ex-Steward Müller. "Auch ich habe mich erst nicht zurechtgefunden."

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In den Zimmern sind jeweils zwei Personen untergebracht.

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Die Zimmeraufteilung wird mit den Familien direkt besprochen, erklärt Löhlein: "Wir schauen immer, dass die Zimmer von Eltern und Kindern nebeneinander liegen."

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Adlan K., seine Frau Aishat (Namen von der Redaktion geändert, Anm.) und ihre fünf Kinder sind unter den ersten BewohnerInnen des Heimes. Sie kommen aus der tschetschenischen Hauptstadt Grosny und sind vor dem dort herrschenden Krieg geflüchtet. Das Heim in Floridsdorf ist die zweite Zwischenstation ihrer Flucht, mit der Unterkunft ist K. zufrieden: "Wir sind hier sehr gut aufgenommen worden. Wir sind sieben Leute und haben drei Zimmer bekommen. Das Personal hier ist sehr gut."

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Gekocht wird in Gemeinschaftsküchen, die Schränke haben sich die Familien untereinander aufgeteilt: Auf aufgeklebten Zetteln stehen die Namen.

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Kochgelegenheit

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"In jedem Gang gibt es Toiletten und Duschen, Männer und Frauen jeweils getrennt", berichtet Müller.

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Die Heimleitung

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Der Notausgang

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In den Zimmern (die kleinsten haben ungefähr die Größe eines Single-Studentenheimzimmers) haben sie es sich so gut es geht eingerichtet, das größte Problem besteht vor allem darin, dass es für sie nichts zu tun gibt.

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Für die älteren Kinder ist es etwas einfacher, da sie in die Schule gehen - im Moment noch in den Bezirken, wo sie bislang untergebracht waren. "Wir bemühen uns, dass bis zu Semesterbeginn alle in Schulen in der Nähe unterkommen", erzählt Müller. Nur einzelne der ganz kleinen Kinder gehen in den Kindergarten. "Es ist schwer Plätze zu finden, weil oft schon Österreicher auf Plätze warten müssen", bedauert der Ex-Steward. Adlan und Aishat K. (Bild) hatten Glück, ihre Kinder haben einen Platz bekommen.

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Für die Erwachsenen hingegen gibt es wenig zu tun. "Im Moment schaue ich, dass ich zwei mal in der Woche Sport machen kann, da nehme ich auch meinen Sohn mit. Dann beschäftige ich mich mit den Kindern und gehe einkaufen, damit meine Frau ein bisschen entlastet ist. Das ist es im Großen und Ganzen", beschreibt Adlan K. seinen Alltag.

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Ein Fernseher im Eingangsbereich bietet ein wenig Unterhaltung, aber auch nur für jene, die bereits Deutsch können. Die Heimleitung ist aber bemüht, den AsylwerberInnen künftig auch Sender in ihrer Heimatsprache anzubieten.

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Auf einmal ist es aus mit der Ruhe, im Aufenthaltsraum herrscht aufgeregtes Treiben. Wir fragen nach dem Grund: "Sie bekommt ein Baby - und zwar jetzt!"

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Das bringt selbst eine ASB-Mitarbeiterin aus der Fassung: "Mein zweites Flüchtlingskind!"

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Die Samariter-Kollegen sind in Null-Komma-Nix zur Stelle.

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Raus aus dem Heim.

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Rein in den Krankenwagen.

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Ab ins Krankenhaus.

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Dass im Heim nur Familien untergebracht werden sollen, ist vor allem für die AnrainerInnen wichtig.

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"Wir haben gegen diese Zwutschkerl, die da reingekommen sind, überhaupt nichts und haben auch natürlich keine Angst vor ihnen", betont Michael Cerny. Er ist Vertreter der größten AnrainerInnen-Gruppe, der ÖBB-Kleingarten-Anlage, betont aber, nicht für alle sprechen zu können. Ein anderer wichtiger Aspekt ist für ihn die Sicherheit.

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Aus Cernys Sicht ist das auch die größte Sorge der Kleingarten-BewohnerInnen. Die Regelungen sprechen dafür, dass dem auch Rechnung getragen wird.
(Im Bild: Die Hausordnung)

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Wer sich nicht daran hält, verliert den Schlafplatz.

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Die Eingangstür. Ab 22 Uhr wird abgesperrt.

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In jedem Trakt gibt es einen Aufenthaltsraum (im Bild der Raum im Eingangsbereich), bisher sind diese aber nur spärlich eingerichtet. "Die sollen noch adaptiert werden", verspricht Löhlein. Es fehlt aber noch einiges, um den BewohnerInnen das Leben in der Fremde zu erleichtern. "Gut gebrauchen können wir vor allem Kleidung und Kinderspielsachen", appelliert Löhlein.

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Schon jetzt trudeln immer wieder Menschen ein, die Dinge vorbeibringen, so auch an diesem Nachmittag. Ein Pensionisten-Ehepaar kommt unangemeldet vorbei, mehrere Kartons mit Süßigkeiten, Socken und Strümpfen sowie Spielzeug im Gepäck. "In der Krone" haben Sie vom Flüchtlingsheim gelesen, erzählt der Mann, der seit 70 Jahren in Floridsdorf lebt.

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Später will er mit seiner Frau noch einmal kommen und einen Koffer mit Kleidern bringen.

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Fotografieren lassen möchten sich die SpenderInnen aber nicht, "höchstens wenn ich mit dem Koffer komme". Schließlich machen sie das ja nicht, um "berühmt zu werden", sondern weil es ihnen ein persönliches Bedürfnis sei.

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Insgesamt hat sich die Situation rund um das Heim beruhigt. Dass die Informationsveranstaltung so eskaliert ist, ist hier allen sichtlich unangenehm. Löhlein betont, dass man sich bemühe, einen Dialog mit den Anrainern aufrecht zu erhalten. Auch Cerny wirkt entspannt, macht aber klar, dass er sehr genau darauf achten möchte, dass die Vereinbarungen auch eingehalten werden.

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Sachspenden

Am Schluss weist Chef-Samariter Löhlein noch auf die Möglichkeit hin, den AsylwerberInnen im Floridsdorfer Heim Sachspenden zukommen zu lassen. Über das Sekretariat des Samariter-Bundes Wien (Tel. 01/89 145 210) kann Kontakt aufgenommen werden.

(sof/rasch)

foto: derStandard.at/rasch