Und noch etwas zum Gedankenmachen im "Gedankenjahr": Franz Murer, geb. 1912, Bauer im Ennstal, tritt 1938 der NSDAP bei. Später Standartenführer der SS. Im Vernichtungskrieg gegen Russland wird er stv. Gebietskommissar im Getto von Wilna, Litauen, ist von Sommer 1941 bis Sommer 1943 zuständig für den "Arbeitseinsatz" der dort zahlreich lebenden Juden. Von 80.000 Getto-Bewohnern überleben nur 3000.

Franz Murer beteiligt sich laut Zeugen auch persönlich an der Ermordung von Juden. 1947 wird Murer in Österreich von den Engländern verhaftet und an die Russen ausgeliefert. Zum Tode verurteilt, wird er zu 25 Jahren Haft begnadigt. 1955 kommt er mit den letzten Heimkehrern zurück und wird ÖVP-Obmann der Landwirtschaftskammer Liezen. 1961 wird gegen ihn Anklage wegen 17fachen Mordes erhoben. Der Prozess in Graz endet mit Freispruch unter Ovationen des Publikums. 1964 wird der Freispruch vom Obersten Gerichtshof aufgehoben.

Es kommt jedoch zu keinem neuen Verfahren. 1974 werden von der SPÖ-Alleinregierung unter Kanzler Kreisky und Justizminister Broda (SPÖ) im Rahmen einer "kalten Amnestie" für NS-Kriegsverbrecher alle Ermittlungen eingestellt. (DER STANDARD, Printausgabe, 18.1.2005)