Wien - Angst vor Konkurrenz und Angst vor dem Stempel "Judenpartei", diese Gründe nennt Historiker Peter Schwarz als die beiden Hauptmotive für den nachlässigen Umgang der SPÖ mit jenen Funktionären, die durch den Nationalsozialismus vertrieben worden sind.

Für Schwarz, der sich gemeinsam mit Kollegen Wolfgang Neugebauer mit den "Braunen Flecken" im "Bund Sozialdemokratischer Akademiker" auseinander gesetzt hat ("Der Wille zum aufrechten Gang", Czernin Verlag), stellt die aktive Rückholung Oscar Pollaks, des Chefredakteurs der Arbeiterzeitung, die Ausnahme dar. Schwarz: "Das war nicht ganz uneigennützig von der britischen Regierung. Durch ihn wollte man sich ein besseres Bild der Regierung Renner machen."

Die SP-Spitze, allen voran Adolf Schärf und Oskar Helmer, hätten aber "um den Machtanspruch innerhalb der Partei" gefürchtet, schreiben Neugebauer und Schwarz. Auch hätte "eine solche systematische Reintegration der in ihrer Mehrheit als ,Austromarxisten' geltenden ,Emigranten' in die SPÖ auch eine massive Belastung der Regierungskoalition mit der ÖVP bedeutet".

Wer zurückkehren wollte, wie der ehemalige Wiener Finanzstadtrat Hugo Breitner, wurde mit höflichen Floskeln abgespeist. Schwarz zitiert im Gespräch mit dem STANDARD sinngemäß aus einem Briefwechsel zwischen Renner und Breitner: "Renner meinte darin ,wir tun ja alles, um dich zurückzuholen'". In Wirklichkeit, so Schwarz, habe die SP-Führung zur selben Zeit "alles getan, um die Rückkehr zu verhindern".

Hugo Breitner ist nicht der Einzige, der im Exil verstorben ist. Andere Vertriebene, "oder aus anderer Sicht ,Davongelaufene'" (Schwarz) kamen zwar zurück, waren in der alten Heimat aber wenig gefragt. Selbst Bruno Kreisky wurde nach einem kurzen Wienaufenthalt im Jahr 1946 in den diplomatischen Dienst nach Schweden entsandt.

Schwarz verweist auf einen Briefwechsel des Journalisten Otto Leichter, selbst Emigrant in New York, mit Adolf Schärf. Leichter beklagt sich darin über den Gegensatz zwischen "Inländern" und "Exilanten" als eine "österreichische Spezialität".

Und Studienautor Schwarz fasst zusammen: "Hätte Frankreich mit ähnlichen Maßstäben gemessen, hätte de Gaulle niemals Präsident werden können."

Von der ÖVP wurden Rückkehrer nicht minder schlecht behandelt. Neugebauer und Schwarz zitieren Leopold Figl, der 1945 im Kleinen Volksblatt meinte, es sei für die Emigranten sicher bequemer gewesen, "die Zeit in ihren Clubsesseln verbracht zu haben, anstatt für Österreich zu leiden".

Helmut Wohnout vom Karl-von-Vogelsang-Institut will aufseiten der ÖVP allerdings von einer anderen Ausgangslage sprechen: "Nach 1945 hat es zahlreiche Repräsentanten des autoritären Regimes gegeben, die in der Emigration waren. Aber es gab nicht dieses automatische Nahverhältnis wie bei der SPÖ." Als prominentestes Beispiel führt Wohnout Bundeskanzler Kurt Schuschnigg an, "dem von ÖVP-Seite bedeutet worden ist, dass es besser ist, aus politischen Gründen eine Zeit lang nicht zurückzukehren."

Material über Repräsentanten des konservativ-bürgerlichen Exils gibt es im Vogelsang-Institut nicht. (Karin Moser/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.1.2005)