Ein Teil der Spendengelder fließt auch in die Kassen westlicher Firmen. Die "Industrie der humanitären Hilfe" produziert Güter, die in den betroffenen Ländern oft gar nicht hergestellt werden. Die UNO schätzt die Kooperation mit den Katastrophenprofis.

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Die Flutwelle in Südostasien hat weltweit eine nie da gewesene Spendenfreudigkeit ausgelöst. Mehr als 40 Regierungen und die Weltbank haben Unterstützung zugesagt. In vielen Ländern werden die nationalen Regierungen von privaten Spendern überflügelt.

Innerhalb Europas führen die Deutschen mit 505 Millionen Euro Regierungshilfe und 255 Millionen privaten Spenden. Eine Spendengala im dänischen Fernehen brachte am Samstag Spendenzusagen von 5,3 Millionen Euro (40 Millionen Kronen). Damit erreichten die privaten Spenden insgesamt 26,6 Millionen Euro. Noch nie zuvor wurde in Dänemark zu einem bestimmten Anlass so viel Geld gesammelt. Die Niederländer stellten mit 113 Millionen Euro ihre Regierung (26 Millionen) in den Schatten. Mit 143 Millionen Euro spendeten auch die Briten doppelt so viel, wie ihre Regierung zur Verfügung stellt (73 Millionen).

Firmen profitieren

Die Hilfsaktion kommt jedoch nicht nur den Überlebenden der Flutkatastrophe zugute. Ein Teil der zugesagten fünf Milliarden Dollar (3,8 Mrd. Euro) Spenden wird in die Kassen westlicher Unternehmen gespült. Hersteller von Hilfsgütern dürfen auf zusätzlichen Umsatz hoffen.

"Wir sollten nicht erröten, nur weil wir ein Privatunternehmen sind", sagte eine Mitarbeiterin der französischen Firma Nutriset. Das Unternehmen ist auf die Herstellung hochkonzentrierter Nahrungsmittel sowie von Zink-tabletten gegen Durchfallerkrankungen spezialisiert. "Keine der Pharmafirmen war an der Entwicklung solcher Produkte wie Zinktabletten interessiert, weil sie dachten, sie seien nicht profitabel genug."

"Es gibt so etwas wie eine Industrie der humanitären Hilfe. Aber das ist gut so, denn diese Unternehmen können mit Notsituationen umgehen", sagte Sandie Blanchet, Sprecherin der Unicef. Das UNO-Kinderhilfswerk hat im Jahr 2003 etwa 700 Millionen Dollar (536 Mio. Euro) für Vorräte und Hilfsgüter ausgegeben. Zwei Drittel dieser Güter wurden in Industrieländern produziert. "Wir sagen immer wieder, dass es das Beste ist, wenn die Hilfsorganisationen so viele örtliche Unternehmen wie möglich zu beauftragen." Einige Produkte würden aber nur im Westen produziert.

Auch ohne direkte Aufträge profitieren einige Firmen von der Naturkatastrophe. Seit dem 26. Dezember ist der Aktienkurs der japanischen Firma Tetra um rund 30 Prozent gestiegen. Die Firma stellt Wellenbrecher her.

Die deutsche Forschungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) schlug vor, das Tsunami-Frühwarnsystem für Südasien nach deutschen Plänen aufzubauen. Das vom Geo-Forschungs-Zentrum Potsdam (GFZ) entwickelte Konzept kostet rund 40 Millionen Euro. Bei einem Beben werde automatisch eine Erdbebenmeldung im Internet veröffentlicht. Gleichzeitig würden automatische E-Mails und SMS verschickt. Als Nutzer könnten sich nicht nur Verwaltungen oder Forschungseinrichtungen, sondern auch Hotels und Privatpersonen registrieren lassen.

Zwiespältig stehen viele Hilfsorganisationen Spenden von US-Pharmakonzernen gegenüber. Pfizer spendete zehn Millionen Dollar (7,58 Mio. Euro) Bargeld und Produkte im Wert von weiteren 25 Millionen Dollar, Johnson & Johnson stellte rund zwei Millionen Dollar plus Warenspenden zur Verfügung.

Über die Güterspenden sind wegen der entstehenden logistischen Probleme jedoch nicht alle Organisationen glücklich. "Manchmal während solcher Katastrophen bekommen wir nicht bestellte und nicht benötigte Medikamente", berichtete der Vertreter der Weltgesundheitsorganisation WHO in Thailand, William Aldis. "Im Kosovo wurden Millionen Dollar für die Beseitigung von Medikamenten durch Verbrennen ausgegeben. Aber wir sind von der Pharmaindustrie abhängig, wie dämonisieren sie nicht mehr."

Warten in Bam

In Bam im Süden des Iran warten hingegen noch immer viele Menschen auf Hilfslieferungen. Genau ein Jahr vor dem Tsunami zerstörte am 26. Dezember 2003 ein Erdbeben die Stadt vollkommen. Mehr als 30.000 Menschen kamen ums Leben. Von den versprochenen Geldern sahen die Bewohner nach eigenen Angaben nicht viel. Die meisten von ihnen wohnen noch immer in provisorischen Hütten.

Tatsächlich gaben die UNO und andere Hilfsorganisationen bisher hundert Millionen Dollar (75,8 Mio. Euro) für den Wiederaufbau aus - versprochen waren allein der Weltorganisation 350 Millionen Dollar (265 Mio. Euro). Die Verantwortung dafür trügen aber nicht allein die westlichen Geberstaaten, sagt eine Verantwortliche einer im Auftrag der EU tätigen Hilfsorganisation. Vielfach hätten die Hilfsorganisationen keinen Einfluss auf die Projekte nehmen können und das Geld zurückgezogen. (DER STANDARD; Printausgabe, 10.1.2005)