Bild nicht mehr verfügbar.

Undatiertes Archivbild der Ex-Skifahrerin Erika Schinegger.
Foto: APA

Bild nicht mehr verfügbar.

Erik Schinegger heute
FotO: APA/HERBERT PFARRHOFER
Wien - So präsent das Thema Intersexualität derzeit in der Literatur und im Kino ist - von Jeffrey Eugenides' Bestseller "Middlesex" bis zu eigenen Queerfilm-Festivals - im Alltag dominieren nach wie vor Unwissenheit und Unsicherheit den Umgang damit. Mit seinem Film "Erik(A)" (ab 14.1. im Top-Kino) hofft Regisseur Kurt Mayer "eine Barriere zu überspringen - weil er nicht nur Leute anspricht, die sich für das Thema Intersexualität interessieren, sondern weil er das Porträt eines sehr mutigen Menschen ist, eine ungewöhnliche Lebensgeschichte, die sehr viel über die Umstände in diesem Land und dieser Zeit aussagt."

Milieugebunden?

Im Spielfilmbereich sind Intersexuelle fast immer im Nachtclub- oder Strichermilieu angesiedelt. "Das hängt damit zusammen, dass Kino immer wieder auch spekulativ ist und man für dieses Milieu eher ein Publikum findet als für das Milieu eines Beamten, der ein sexuelles Identitätsproblem hat", glaubt Mayer. "Der andere tragische Grund dafür liegt darin, dass viele Leute so ein Schicksal gar nicht bewältigen außerhalb dieses Milieus." Das Tolle und Überraschende an der Lebensgeschichte von Erik Schinegger, der 1966 als Erika Schinegger österreichische Skiweltmeisterin wurde, sei ja auch, dass er nicht aus seiner Kärntner Heimat geflüchtet sei. "Seine Chance, aber auch seine größte Herausforderung lag darin, in seinem Dorf zu bleiben."

Eindeutigkeit des Geschlechts

Die geschlechtliche Identität erstrecke sich über ein weites Spektrum, betont Mayer, und es sei fraglich, ob es dabei überhaupt Eindeutigkeit gebe. "Jeder Begriff von Normalität ist genauso problematisch wie der Begriff von Deformation, beides sollte man eigentlich nicht verwenden. Aber es gibt halt viele Leute, die mit ihrer geschlechtlichen Identität nicht zurechtkommen, die unter einem falschen Körper leiden." Bei Schinegger sei offenbar eine zufriedenstellende Lösung geglückt. "Aber wann passiert so etwas schon einem Weltmeister? Jemand, der Weltmeisterin war, hat ja schon dadurch bewiesen, dass er mehr Energien mobilisieren kann als ein Durchschnittsmensch."

Störung des "Spiels"

Dass das Thema Intersexualtiät so tabuisiert ist, führt Mayer auf "das konservative Bewahren eines Rollenspiels in der Gesellschaft" zurück. "Diese Rollen müssen möglichst einfach sein, wie bei einem Brettspiel. Wenn da einer der Spielsteine seine Form verändert, kommt das Spiel in Gefahr. Und bei einem Sportler, der ja eine Projektionsfläche ist für viele Menschen, für eine Nation, kann man dann nicht mehr gefahrlos in seinen Körper schlüpfen. Da wäre man ja plötzlich mit seinen eigenen Zweifeln und Widersprüchen konfrontiert." Wobei Frauen mit dieser "Gefährdung von Genderidentität" lockerer umgingen als Männer, wie Mayer beobachtet hat. "Das ist wohl auch ein Element von Kastrationsangst."

Sextests im Sport

Der gezielte Einsatz von "genderinversen" SportlerInnen führte 1968 zur Einführung von Sextests. Auslöser waren damals, so Mayer, die Schwestern Tamara und Irina Press aus der Ukraine, die 1964 in Tokio dreimal Leichtathletik-Gold holten. Man habe die Sextests mittlerweile wieder abgeschafft, mit der Begründung, dass damit nicht in allen Fällen eine eindeutige Geschlechtszuordnung möglich sei. "In Wahrheit gehen wir auf eine Zeit zu, in der es möglich ist, ohne die Geschlechtsmerkmale zu verändern, durch Gentechniken ganz gezielt 'Genderfaktoren' zu implementieren; zum Beispiel den Muskelaufbau, der genetisch zu lokalisieren ist. Dann stehen wir einer ganz neuen wahnsinnigen Entwicklung im Sport gegenüber, bei der es um gezüchtete Körper geht." (APA)