Bild nicht mehr verfügbar.

Pinguine auf ihrem weg ins Wasser

apa/dpa/Anna Zieminski
Während andernorts mit den "Big Five" geworben wird, setzt die Provinz Kapstadt in Südafrika auf die kleinen Tiere: Pinguin, Steinhörnchen, Seehund, Pavian und Perlhuhn sind die Protagonisten an Schauplätzen, schön wie im Paradies.

Betont lässig lungern sie herum, die Gesichter immer schön zur Sonne. "Die struppigen dort, das sind die Teenager", erklärt Desmond von der Southern Touring Company. "Erst wenn sich ihr Federnkleid komplett erneuert hat, können sie wieder schwimmen, deswegen haben sie sich Fett angefressen und jetzt nichts zu tun."

Wie Teenager eben sind, schubsen und necken sich auch die kleinen, afrikanischen Pinguine im Boulders National Park. Wenn sie ein bisschen größer sind, werden sie sich einen Partner fürs Leben suchen und die Pinguinkolonie in der False Bay vergrößern. Rund 8000 Tiere sind es jetzt, die in den kalten Gewässern nahe Kapstadt leben. 1982 hatte man gerade einmal zwei brütende Pärchen dieser bedrohten Art gezählt.

Der Boulders ist nur einer von zahlreichen Nationalparks und geschützen Zonen in der Kap-Region. Der Erhalt und die Pflege der außergewöhnlichen Flora und Fauna ist eines der Standbeine der demokratischen Republik Südafrika. Nachdem es nach dem Ende der Apartheidpolitik 1990 zu einer enormen Kapitalflucht gekommen war, hat das Western Cape von allen neun Provinzen heute das höchste Wirtschaftswachstum, zu dem der Tourismus einiges beiträgt. Auch der Weinbau boomt, und Kapstadt versucht sich neben Johannesburg erfolgreich als Business-und Finanzstandort zu profilieren. Mit dem Cape Town International Convention Centre (CTCC) wurde im Sommer 2003 das modernste Kongresszentrum der Südhalbkugel eingeweiht. Daneben sorgt ein nagelneues Arabella Sheraton Grand Hotel für die adäquate Unterbringung der Geschäftsleute.

Auf dem teilweise in die Felsen gesprengten Roggebaai Canal fährt man mit kleinen Taxibooten in wenigen Minuten direkt von dem Luxushotel an die Waterfront. Dieses Einkaufs- und Vergnügungsviertel in Teilen des Hafengeländes ist das beste Beispiel für den hoffnungsfroh betriebenen Mix der Hautfarben: Denn während das Businesshotel weiterhin fast ausschließlich von einer weißen Oberschicht frequentiert wird, mischen sich in den Shops und Cafés der Waterfront alle Couleurs. So schmausen zum Beispiel im Paulaner-Brauhaus nicht nur Buren und englischstämmige Südafrikaner ihre Stelze mit Sauerkraut. Direkt vor der Terrasse des Lokals tauchen im Hafenbecken auf einmal zwei Schwanzflossen auf. Zwei Robben plantschen im seichten Wasser und lassen sich von den heftig fotografierenden Touristen gar nicht stören.

Um die in der Bucht vor Kapstadt lebenden Seehunde zu beobachten, muss man also nicht einmal eines der hier vor Anker liegenden Ausflugsboote besteigen. Trotzdem zahlt sich eine Bootstour auf das neun Kilometer nördlich von Kapstadt gelegene "Robben Island" aus. Wo heute wieder die namensgebenden Robben, aber auch Hirsche, Elenantilopen, Spring- und Steinböcke leben, war Nelson Mandela gut ein Vierteljahrhundert interniert worden. 1996 verließen die letzten 300 Gefangenen, 90 Wärter, Handwerker und 18 Killerhunde die Insel, heute ist sie ein "World Heritage Site". Die Besucher werden in Minibussen über die Insel gefahren und können das ehemalige Gefängnis und den Kalksteinbruch besuchen, in dem Mandela und seine Mitgefangenen arbeiten mussten. Die Tourguides sind ehemalige Häftlinge und Wärter.

"2000 Rand (265 Euro) habe ich als Lehrer verdient", erzählt unser Führer Desmond. Neben dem geringen Gehalt frustrierte ihn auch die tägliche Konfrontation mit mehr als 50 Schülern in einem Klassenzimmer. Da sei er schon lieber als Guide der Southern Touring mit Touristen aus aller

Welt unterwegs. Glücklich einen Job zu haben, ist er bei einer Arbeitslosenrate von rund 42 Prozent auf jeden Fall. An den Fortschritt der jungen, multikulturellen Gesellschaft glaubt er aber gewiss. "Wir leben in einem Land, in dem bis vor Kurzem 80 Prozent des Besitzes in der Hand von 20 Prozent der Bevölkerung waren. In 15 Jahren kann nicht alles anders werden, aber es wird besser."

Um den Besuchern die Schönheiten des Landes zu zeigen, das nun auch ihm gehört, nimmt er es gerne in Kauf, zum circa 174. Mal mit der ultramodernen Panoramaseilbahn auf den Tafelberg zu fahren. Bei Sonnenschein ist der Ausblick über die Millionenstadt und gleich zwei Meere, den Atlantischen und den Indischen Ozean, gewaltig.

Auf den gut ausgebauten Wanderwegen des Hochplateaus trifft man häufig auf die "Rock Dassies", kleine Steinhörnchen, die lustigerweise die nächsten lebenden Verwandten der Elefanten sind. Die bezaubernden, rüssellosen Pelztierchen sind durch die Besucherströme zutraulich geworden, lassen sich füttern, können bei Missverständnissen aber ganz schön zubeißen. Das gilt übrigens auch für die Paviane, mit denen man bei einem Ausflug zum nahe gelegenen "Kap der Guten Hoffnung" Bekanntschaft macht. Während die meisten Touristen mit Bussen an den südöstlichsten Punkt des afrikanischen Kontinents gekarrt werden, haben sportliche Naturfreunde die Möglichkeit, das Kap zu erwandern: Nach Voranmeldung - die Halbinsel ist Teil des Tafelberg Nationalparks - können maximal acht Personen in einer Zweitageswanderung durch den immergrünen "Fynbos" die spezielle Pflanzen- und Tierwelt dieses mit Sonne und Regen gesegneten Landstrichs erkunden.

Weniger Sportliche finden fast die gesamte Artenvielfalt der Kap-Region im "Kirstenbosch" versammelt. Der in den östlichen Hängen des Tafelbergs bereits 1913 angelegte Botanische Garten erstreckt sich über 538 Hektar und umfasst u. a. einen Fynbos-Garten, einen Weg für Blinde, einen Duft- und einen Kräutergarten. In dem wächst zum Beispiel die Sutherlandia, die das Immunsystem stärkt, aber auch Exotisches wie die "Isikholokotho", die Hämorrhoiden den Garaus macht.

An schönen Sommertagen machen Jungfamilien und Teenager am gepflegten britischen Rasen ihr Picknick, während aufgeregte Perlhühner hin und her rennen, um auch ein Körnchen zu erhaschen. Regnen doch einmal ein paar Tropfen am Tafelberg ab, flüchtet man am besten ins Schauhaus der botanischen Gemeinschaft, einem Glashaus, in dem Fettpflanzen und Farne wachsen. Nach kurzer Zeit scheint dann schon wieder die Sonne, richtige Landregen wie in Europa gibt es hier trotz des relativen Wasserreichtums nie. Manchmal hängen Nebelschwaden in der Bergkette, die sich vom Tafelberg über die "Zwölf Apostel" direkt an der Küste bis zum Cape Point zieht.

Auch bei Hermanus an der Walker Bay ist es heute nicht ganz wolkenlos, trotzdem ist das Schauspiel, das sich den Schaulustigen hier bietet, grandios: Drei, vier, gleich fünf Glattwale schwimmen nur rund 60 Meter von der Steilküste entfernt, zeigen ihre mächtigen Rücken, tauchen wieder ab. Zwölf bis 15 Meter lang wird der "Southern Right Whale", der zwischen Juni und Oktober aus den eiskalten Antarktis-Gewässern in die subtropische Walker Bay und ihre Nachbarbuchten kommt. Zwei Jahre bleibt ein Junges beim Muttertier. Wenn es gesäugt wird, verdrückt es bis zu 600 Liter am Tag. Taucht einer der Riesen auf, gibt ein eigens engagierter "Walschreier" mit einem Seetanghorn ein Signal. "Tuuut" tönt es dann über die ganze Bucht, ein Geräusch, das selbst die lässigen Teenager vom Boulders erzittern ließe. (Der Standard/rondo/07/01/2005)