In der vom Tsunami am schwersten betroffenen indonesischen Provinz Aceh interpretieren islamische Prediger die Katastrophe als "Zorn Gottes", berichtet der Wiener Erzbischof Christoph Schönborn, der sich in der Region aufhält. Ein solches Gottesbild könne freilich "nicht das letzte Wort sein".

In den weit gehend säkularisierten westlichen Gesellschaften, wo jetzt zehntausende um ihre Angehörigen und Freunde in den Katastrophengebieten bangen oder trauern, macht kaum jemand Gott für das Inferno verantwortlich. Aber deshalb ist das Gefühl der Ohnmacht nicht geringer, sondern vielleicht sogar noch größer. Auch, weil eine verbreitete Vollkasko-Mentalität von der Wirklichkeit überrollt wurde: ungetrübtes Vergnügen bei null Risiko - das gibt es nirgendwo.

Ohnmachtsgefühl und Schock entladen sich

Ohnmachtsgefühl und Schock entladen sich vielfach in Kritik an den jeweiligen Regierungen, denen zu späte, unzureichende und schlecht koordinierte Hilfsmaßnahmen vorgeworfen werden. Vor allem in den nordischen Ländern, aus denen besonders viele Touristen im Katastrophengebiet stammen, aber auch in Österreich wird das Krisenmanagement von vielen als unzureichend empfunden.

Das ist angesichts des Schmerzes, der Ungewissheit, der Trauer verständlich. Und die Kritik mag vielfach auch zutreffen. Nur sollte man nicht vergessen, dass sich das ganze Ausmaß der Katastrophe erst nach und nach offenbarte und bis zum heutigen Tag alle an den Hilfsmaßnahmen Beteiligten überfordert. Erst langsam entwickelt sich eine weltweit koordinierte Hilfsaktion für die betroffenen Gebiete. Sie wird offenbar von einer enormen privaten Spendenbereitschaft beflügelt.

Und darin liegt auch eine Hoffnung, die über die unmittelbare "Bewältigung" der Katastrophe hinausweist: dass die Vollkasko-Mentalität im reichen Teil der Welt einer dauerhaften, klug organisierten Solidarität mit dem armen Teil weicht. (Josef Kirchengast, Der Standard, Printausgabe, 03.01.2005)