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Die Ausstellung "Appassionata" zeigt in Innsbruck zurzeit markante Einsichten in die künstlerischen Fantasien der Venezianerin Carol Rama

Foto: APA
Innsbruck - Der Apfel dieser Eva ist kein Kernobst aus dem Paradies. Augäpfel serienweise, Puppenaugen aus Kunststoff zeigen plakativ, wie es um den Blick bestellt ist, der die Sünde wahrnimmt und sich dem überraschten Betrachter stellt.

Gleich allerdings ist das nächste Eden-Utensil, die Schlange, zur Stelle. Züngelnd hat sie ihren Platz am weiblichen Körper, zwischen den Beinen, ambivalent in der Richtung und lasziv in den Händen geführt als Instrument weiblicher Befriedigung oder als exhibitionistisches Lockmittel, wie Golfschläger oder Billardqueue in den spätabendlichen Dauerwerbeclips auf Privat-TV.

Diese freizügigen Darstellungen sind kein kommerzielles Ereignis, sondern künstlerischer Ausdruck einer sehr jungen Frau im postfaschistisch katholischen Italien. "Eretika" sind manche Arbeiten betitelt - das Gewagte im Werk von Carol Rama geht über Erotika hinaus.

Einst Zensur

Ihre erste Ausstellung ist 1945 prompt ein Fall für die Zensur. Dennoch behauptet sich die Künstlerin lange als Geheimtipp, im Jahr 2003 wird ihr der Goldene Löwe der Biennale di Venezia verliehen. Derzeit ist ihr Werk erstmals im deutschen Sprachraum zu sehen. In der Galerie im Taxispalais wird darauf hingewiesen, das Gezeigte "könnte das Schamgefühl von BesucherInnen verletzen". Jenes wird erst einmal geweckt - wie ein eingeschlafenes Glied:

Irritierend sind sie, die omnipräsenten Zungen, einmal verführerisch und aktiv, einmal komplett bedient bis debil aus den Mündern hängend - gleich jener des hingestreckten Bären, der von einem animalisch behaarten Mann penetriert wird.

Die in Büscheln sprießenden Penisse, die wie synchron geschaltetes Daumenkino aufblitzen - Entschärfung des Phallus durch Potenzierung. Die Schaufeln, Gebisse, Prothesen, Hufe jenseits dessen, was sich im Mainstream-Fundus des Fetischismus so tummelt. Die nackten Mädchen im Rollstuhl, die die Hände in den Schoß legen.

Kaum vergleichbar

Manche der Obsessionen mögen an Louise Bourgeois erinnern, wenngleich die mit sieben Jahren Altersunterschied nahen, beide in Venedig prämierten Künstlerinnen kaum vergleichbar sind. Eines der jüngsten Werke Carol Ramas (Fettici scarpa, 2003) ist ein Bronzeschuh, der - quasi als eine Art Zunge - einen mit der Spitze nach innen gerichteten, abgetrennten Penis enthält.

Diese Arbeiten sind in den Innsbrucker Räumen gut aufgehoben - die Installation aus schlappen Fahrradschläuchen etwa (Presagi di Birnam, 1970) wirkt im weiten Lichthof der Galerie im Taxispalais ungleich moderner als bei der Präsentation im Ulmer Museum. Ein Teil der Ausstellung sind auch Zeugnisse der Freundschaft von Carol Rama mit dem Dichter Edoardo Sanguineti.

Am 10. Jänner (19.00 Uhr) findet eine Hommage an diese Beziehung in Form einer Lesung mit musikalischer Untermalung statt. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.12.2004)