Wien/Eriwan - Vergangenen November war es, da inspizierte Armeniens Präsident Robert Kotscharian die Front an der so genannten "Kontaktlinie" zu Aserbaidschan und fand nach Aussagen seiner begleitenden Generäle eine "starke und kampfbereite Armee" vor. Westliche Militärexperten glauben das Gegenteil: Weder die armenischen noch die aserbaidschanischen Truppen sind zehn Jahre nach dem Waffenstillstand realistisch in der Lage, einen Krieg zu führen, der rasch neue Fakten für die Enklave Berg-Karabach schaffen könnte, das 1921 als autonome Region der Sowjetrepublik Aserbaidschan zuerkannt wurde.

Doch genauso wenig scheinen die beiden verfeindeten Kaukasusstaaten fähig, ihren seit 1994 laufenden Friedensverhandlungen einen entscheidenden Anstoß zu geben. Vier Treffen der Außenminister in Prag in diesem Jahr sollen nach beider Aussagen Annäherungen gebracht haben - Details nannten die Minister nie. Aserbaidschan scheint vorerst aber von einer Abstimmung in der UNO über die strittige Siedlungspolitik Armeniens abzusehen, was das Gesprächsklima bessern soll.

Die Kosten für die Besetzung von Berg-Karabach und sieben aserbaidschanischen Verwaltungsbezirken trägt mittlerweile allerdings vor allem Armenien. Das Land ist geografisch isoliert: Zwei der vier Nachbarn - Aserbaidschan und die Türkei - haben die Grenzen geschlossen; für Wirtschaft und Handel bleiben nur der Luftweg und die Verbindung nach Russland durch Georgien sowie über ein schmales Grenzstück in den Iran. (mab/DER STANDARD, Printausgabe, 27.12.2004)