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Vartan Oskanian, Außenminister

Foto: APA/EPA/Khachatrian
Der Konflikt um Berg-Karabach drängt Armenien in die Isolation. Die EU solle zumindest die Türkei zur Grenzöffnung drängen, meint Außenminister Vartan Oskanian gegenüber Markus Bernath.

STANDARD: Der Waffenstillstand zwischen Armenien und Aserbaidschan hält seit zehn Jahren, doch der Karabach-Konflikt blockiert die gesamte Entwicklung im Südkaukasus. Wie sieht Armeniens Lösung aus?

Oskanian: Zunächst einmal sollten wir uns auf das Kernproblem des heutigen Konflikts konzentrieren, das heißt, die Frage des künftigen Status von Berg-Karabach. Zweitens müssen wir im Verhandlungsrahmen der Minsk-Gruppe bleiben. Folgen wir diesen zwei Prinzipien, fallen alle anderen Teile des Puzzles von selbst auf ihren richtigen Platz. Aserbaidschan geht anders vor. Sie befassen sich mit den Folgen dieses Konflikts, das heißt, mit der Frage der Gebiete, der Flüchtlinge und anderen Dingen. Außerdem machen sie "window-shopping" in anderen internationalen Organisationen. Das ist sehr schädlich.

STANDARD: Welchen Status will Ihre Regierung für Berg-Karabach?

Oskanian: Der Status muss Berg-Karabachs Recht auf Selbstbestimmung widerspiegeln. Welchen Ausdruck diese Selbstbestimmung annimmt, darüber müssen die Bewohner von Berg-Karabach selbst entscheiden. Aber welches Abkommen wir mit den Aserbaidschanern auch abschließen, es muss das Recht der Bewohner von Berg-Karabach anerkannt sein, über ihr eigenes Schicksal zu entscheiden. Wie und wann - das kann alles verhandelt werden.

STANDARD: Was soll dabei mit den Aserbaidschanern geschehen, die vor dem Krieg in Berg-Karabach lebten?

Oskanian: Wenn ich sage, die Bewohner von Berg-Karabach müssen entscheiden, dann kann es dabei Variationen geben. Das gehört zu den Dingen, die verhandelt werden müssen, sobald wir einen entsprechenden Rahmen gefunden haben. Wir sind noch in dieser Phase, wir versuchen, einen Rahmen zu finden, in dem wir uns bewegen können. Danach können wir uns mit den Details beschäftigen wie: Wer sind die Bewohner von Berg-Karabach? Sollen die früheren Bewohner beteiligt werden?

Das Problem der früheren Bewohner ist viel umfassender, als es die Aserbaidschaner darstellen. Sie sprechen nur über ihre eigenen Flüchtlinge, aber es gibt auch armenische Flüchtlinge. Wird es hier eine wechselseitige Anerkennung der Ansprüche geben? Natürlich. Aber wir sind noch nicht an diesem Punkt.

STANDARD: Ohne Einigung über den Status von Berg-Karabach wird Armenien nicht aus den besetzten Gebieten abziehen?

Oskanian: Ja. Wir müssen uns über den Status, auf eine Festschreibung des Selbstbestimmungsrechts. Eine Teillösung, so glauben wir, wird keinen dauerhaften Frieden schaffen, sondern ganz im Gegenteil neue Komplikationen hervorbringen und das Machtgleichgewicht in der Region gefährden.

STANDARD: Aserbaidschan gibt an, Armeniens Regierung habe bereits 23.000 Armeniener in den besetzten Gebieten angesiedelt, 300.000 sollen es bis 2010 sein.

Oskanian: Das ist absoluter Unsinn. Es gibt keine Siedlungspolitik der Regierung, weder in Armenien noch in Berg-Karabach. Es gibt natürlich Leute, die auf eigene Initiative Siedlungen errichten. Das sind isolierte Fälle. Das sind Leute aus aus der Konfliktzone, die ihre Zuhause verloren haben, deren Häuser von Aserbaidschan beschlagnahmt wurden. Die Regierung von Berg-Karabach leistet ihnen wahrscheinlich Hilfe, aber es gibt keine Politik zur Ansiedlung.

STANDARD: Sie sprechen gern von Armeniens "Politik der Komplementarität" zwischen Ost und West. Worin besteht die Komplementarität mit der Türkei? Viele Armenier stellen noch Gebietsansprüche.

Oskanian: Wir hätten gern gute Beziehungen zur Türkei. Aber Sie kommen uns nicht entgegen, sie stellen Vorbedingungen für eine Normalisierung der Beziehungen. Wir hoffen, die EU wird hier ein Wort zu sagen haben, wenn die Türkei die Beitrittsgespräche beginnt. Die EU sollten ihnen klar sagen, dass sie ihre Grenzen zur Armenien öffnen sollen, es gibt keinen Grund für geschlossene Grenzen. (DER STANDARD, Printausgabe, 27.12.2004)