"Schau mich an! - Schönheit liegt im Auge des Verliebten (Keine Bouhiza). Oder will er Lolita (Marilou Berry) nur ausnützen?

Foto: Filmladen
Wien - Ein hässliches Entlein, aus dem einmal ein Schwan werden könnte. Ein erfolgloser Dichter, der vom ersten Bestseller träumt. Eine unscheinbare Gesangslehrerin, die großartige Stimmen erkennen und veredeln kann - und gleichzeitig noch nicht die rechten Worte dafür gefunden hat, was sie selbst irritiert. Dagegen: ein Erfolgsmensch als Familientyrann, gefangen in seinen eigenen Marotten - und gleichzeitig gerade durch seine Rücksichtslosigkeit wie geschaffen für großes (mediales) Ansehen.

Schon wenn man die Hauptfiguren der französischen Autorin, Regisseurin und Schauspielerin Agnès Jaouis neuem Spielfilm Schau mich an! / Comme une image kurz charakterisiert, sieht man: Hier dominiert ein gewisser märchenhafter Schematismus. Aber schon in Jaouis früheren Drehbüchern für Alain Resnais (Smoking / No Smoking bzw. On connaît la chanson) oder in ihrer ersten Regiearbeit Lust auf anderes (Le goût des autres) sah man: Dieser Schematismus, diese Lust an eindimensionalen Figuren, die erst im Zusammenspiel Brisanz entwickeln, ist nicht zu unterschätzen.

Schau mich an! erzählt also zu allererst über eine Sehnsucht nach Außenwirkungen, die sich nie erfüllt, ja, eigentlich schon von der Fotografie des Films permanent ad absurdum geführt wird: Besonders schön sieht man dies an der ziemlich rundlichen Gesangsschülerin Lolita Cassard (Marilou Berry), von der die anderen fortwährend nicht ohne Sorge behaupten, sie entspreche wohl nicht den gängigen Schönheitsidealen. Nun, so trotzig und grantig Lolita manchmal auch aussehen mag - und so sehr sie ihrem Verehrer (Keine Bouhiza) misstraut: Tatsächlich ist sie von vornherein die Attraktion und die Attraktivste in diesem Film: Jaoui selbst, die auch noch Lolitas Gesangslehrerin spielt, verglich sie in Interviews - comme une image! - mit Gemälden von Modigliani.

Andererseits: Wenn etwa der junge, erfolglose Dichter (Laurent Grévill) seinen ersten Triumph feiert, verzerrt sich dieser in der Optik einer TV-Talkshow zum üblen Mummenschanz. So entwickelt Schau mich an! fortwährend eine oft auch amüsante Dialektik zwischen Sein und Schein, wobei ironischerweise alle Personen tatsächlich nie mehr sind, als sie zu sein scheinen - wie etwa Jaouis Ko-autor Jean-Pierre Bacri als erfolgreicher Widerling und Lolitas (Über-)Vater, der nicht aus seiner Haut herauskann.

Sieht man, um bei den erstrebten Außenwirkungen nach vorangehender Innensicht zu bleiben, Comme une image im Vergleich zur österreichischen Drehbuch- und Kinoproduktion an, so bleibt einmal mehr das ernüchternde Fazit, dass man sich hier zu Lande für gewisse Gesellschaftskonstellationen (in diesem Fall die bürgerlich-liberale Intelligenzia) kaum interessiert. In Frankreich produziert man damit einen Kinohit: So viel zum Thema soziales und kulturelles Selbstverständnis.

Es mag wiederum an diesem Willen zum Kinohit gelegen sein, dass Schau mich an! etwas konventioneller geraten ist als die bisherigen Arbeiten von Jaoui und Bacri. Es ist manchmal, als würde bei aller Kritik falscher Parfümiertheiten eine eigene, etwas manirierte Duftigkeit entstehen. Aber wie heißt es immer so schön: Der zweite Film ist immer der schwerste. Man wird aus dieser Ecke noch einiges zu erwarten haben.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.12.2004)