Zum ersten Mal seit fast 30 Jahren konnten am Donnerstag die Palästinenser im Westjordanland ihre Bürgermeister und lokalen Räte wählen. In den knapp zehn Jahren seit die Autonomiebehörde regiert, wurden diese Gremien jeweils ernannt. Die Lokalwahlen sind jetzt der erste Demokratisierungsschritt, der noch vor Yassir Arafats Tod am 11. November angesetzt worden ist. Im Gaza-Streifen wird dieser Urnengang erst zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden. Dort hat die Gewalt die Registrierung der Wähler verzögert.

Regionale Eigenheiten

Der Wahlkampf war ganz auf die regionalen Gegebenheiten zugeschnitten. Seit die Intifada die Bewegungsfreiheit drastisch einschränkt, entwickelt sich jedes palästinensische Siedlungsgebiet nach einem eigenen Rhythmus und hat seine eigenen ganz spezifischen Probleme.

Spruchbänder über den Straßen und Porträts auf den Autoscheiben waren die verbreitetsten Wahlwerbeinstrumente, in einer Kampagne, die keine hohen Wellen geworfen hatte. Insgesamt kämpften rund 1000 Kandidaten um etwa 300 Sitze in 26 lokalen Räten, meist in Dörfern. "Bei uns ist jetzt schon klar, dass die Hamas das Rennen machen wird", sagte am Ende des Wahlkampfes ein Verwaltungsbeamter in einem Dorf bei Hebron.

Mit der Präsidentschaftswahl vom 9. Januar ist dieser demokratische Testlauf nur schwer zu vergleichen. Angefangen bei den Organisatoren, die nicht die gleichen sind. "Die zentrale Wahlkommission, die über strikte Fairnesskriterien im Präsidentschaftswahlkampf wacht, hat mit den Lokalwahlen nichts zu tun", erklärt ihr Leiter Ammar Dwaik in Ramallah.

Im Januar steht dem Fatah- Kandidaten Mahmoud Abbas mit dem politischen Aktivisten Mustafa Barghouti nur ein ernstzunehmender Mitbewerber gegenüber, aber auch er wird chancenlos sein. Bei den Lokalwahlen ist das politische Spektrum dagegen größer. Zu den interessantesten Fragen dieser Wahl gehört, wie sich die islamistische Hamas und Fatah schlagen werden.

Hamas hat im Gegensatz zu den Präsidentschaftswahlen auf der lokalen Ebene Kandidaten aufgestellt hat, um ihre demokratische Verantwortung zu übernehmen, wie sich ihr Sprecher im Westjordanland Scheich Hassan Youssef ausdrückte.

Auch al-Mubaradra – die Initiative – von Mustafa Barghouti, der die Menschen vertreten will, die weder mit der Regierungspartei Fatah noch mit den Islamisten sympathisieren, stellt sich erstmals einem demokratischen Test.

Fatah liegt in Führung

In der ersten Meinungsumfrage nach Arafats Tod konnte sich Fatah zulasten von Hamas verbessern. Wie das Jerusalemer Medien- und Kommunikationszentrum herausfand, genießt Fatah bei 42 Prozent der Befragten Vertrauen, verglichen mit 26 Prozent im Juni. Während Hamas in dieser Zeit von 22 auf 20 Prozent zurückfiel. Mehr als 70 Prozent der Palästinenser hatten sich in die Wahlregister eintragen lassen und damit ihr reges Interesse an einem demokratischen Neuanfang bekundet. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24./25./26.12.2004)