Paris/Turin - Für die linksliberale französische Tageszeitung "Liberation" am Donnerstag wirft die Freilassung von zwei französischen Journalisten nach monatelanger Geiselhaft im Irak viele Fragen auf:

"Zur Zeit gibt es mehr Fragen als Antworten. Zum Beispiel was die Gegenleistungen für die Freilassung anbelangt. Ebenso geht es um die wichtige Rolle der französischen Geheimdienste. Wie soll man die Wahrheit wissen? Die französische Regierung sagt, es sei kein Lösegeld geflossen. Auch wenn das ausnahmsweise wahr wäre, würde man es kaum glauben. Und wenn Geld bezahlt worden wäre, wäre dies nicht unehrenhaft. Im Gegensatz dazu wäre ein politischer Handel im Gegenzug für die Befreiung unweigerlich kompromittierend, auch wenn dies geheim bleiben müsste."

"Le Monde" (Paris):

"Auch wenn die Zeit der Erklärungen noch nicht gekommen ist, so wird man eines Tages diese vier Monate schwieriger Verhandlungen genau untersuchen müssen. Die Geheimdienste haben dabei eine wichtige Rolle gespielt, denn die öffentliche Diplomatie stößt bei derart schwierigen Operationen an ihre Grenzen. Es galt, ein Gleichgewicht zwischen der Mobilisierung der Öffentlichkeit und der Notwendigkeit diskreter Verhandlungen zu halten, über die wir noch nicht alles wissen. Die Hauptfrage kreist dabei um eventuelle Gegenleistungen für eine Freilassung der Geiseln. Vielleicht können uns die Betroffenen aufklären, wenn sie sich eines Tages frei darüber äußern dürfen."

"La Stampa" (Turin):

"Paris ist überglücklich, die Rückkehr der beiden Journalisten wird hier als Weihnachtsgeschenk betrachtet, aber dennoch ist das Fest nicht ganz in Ordnung. Es wird (teilweise) durch die vielen Fragen verdorben, die bisher ohne Antwort geblieben sind. Es ist in der Tat notwendig, dass die Behörden sich dazu entschließen, die Erklärungen zu liefern, die die Öffentlichkeit über die Umstände der Freilassung erwartet, über die Verhandlungen, die vorausgegangen waren, und über die Rolle der Diplomatie und der Geheimdienste. (...)

Wenn man genau hinschaut, so hat Frankreich bereits einen politischen Preis bezahlt: Man muss dabei nur an die Erklärung von Präsident (Jacques) Chirac zurückdenken, die er vor etwa einem Monat abgegeben hat. Niemals und nochmals niemals, so hatte er damals im Kern gesagt, werde Frankreich auch nur einen einzigen Soldaten in den Irak schicken. Diese Entschlossenheit war ohne Zweifel einer der Faktoren, die die Entführer beeinflusst hatte, die beiden Franzosen freizulassen." (APA)