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"In den frühen Tagen des Internets, in den 90er-Jahren, dachten wir, dass Medien die große Verwendung für das Web sind", sagte einer, der es wissen sollte: Michael Kinsley, der 1996 das Onlinemagazin Slate mit Geld von Microsoft gründete und bis 2002 leitete. Aber eigenständige Medien hat das Web nur wenige hervorgebracht; Slate ist in den USA neben Salon.com das bekannteste "Webzine", wie die Onlinemagazine genannt werden.

Am Montag gab die Washington Post bekannt, dass sie Slate von Microsoft erworben hat. Der Kaufpreis, über den offiziell Stillschweigen herrscht, wird von Branchenbeobachtern zwischen 15 und 20 Mio. Dollar (11,2 bis 15 Mio. Euro) geschätzt. Microsoft, das sich in die Leitung des Magazins nach Angaben seiner Chefredaktion nie einmischte, soll über die Jahre mehr als 20 Mio. Dollar in Slate investiert haben, das inzwischen ausgeglichen bilanzieren soll.

"Fußnote auf dem Pickel eines Rundungsfehlers"

Microsoft selbst hat wiederholt erklärt, kein Medienunternehmen sein zu wollen - obwohl das Mitte der 90er-Jahre, als viele Experten eine Fusion von Tech und Medien voraussagten, noch nicht so selbstverständlich war. Immerhin hatte Ende der 90er-Jahre America Online (AOL) Time Warner gekauft; heute ist AOL nur mehr eine wenig profitable Abteilung des wieder in Time Warner zurückgetauften Medienkolosses.

"Selbst wenn wir irre Profite machen würden, wären wir nur eine Fußnote auf dem Pickel eines Rundungsfehlers bei Microsoft", beschreibt der jetzige Chefredakteur Jacob Weinberger die Bedeutung, die Slate zuletzt im Microsoft-Reich hatte. Zwischen Microsoft und Washington Post gibt es nach einem Bericht der New York Times personelle Beziehungen: Melinda Gates, Frau von Bill, sitzt im Board der Post; während Bill Gates Boardmitglied bei Warren Buffetts Berkshire Hathaway ist, der größte Washington-Post-Aktionär. (spu/DER STANDARD; Printausgabe, 23.12.2004)