Die wöchentliche Kolumne von Thomas Rottenberg. Jede Woche auf derStandard.at/
Panorama.

Jetzt auch als Buch: Die besten Stadtgeschichten der vergangenen drei Jahre - zum Wiederlesen & Weiterschenken.

"Wiener Stadtgeschichten" mit Illustrationen von Andrea Satrapa-Binder, Echomedia Verlag Ges.m.b.H., ISBN 3-901761-29-2, 14,90 Euro.

Echo-Verlag
Eigentlich sei dem Drama ein lichter Augenblick vorausgeeilt, erklärte T. Und deshalb habe er, sagte T., den Alten verkauft. Als Schnäppchen. Schließlich,, sagte T., hatte er das Ding nie geliebt. Er sei, sagte er, eher der sozialen Konvention gefolgt: Man hat halt einen Fernsehapparat. Und wie das mit Dingen die man hat eben sei, rügte sich T. selbst, habe er sich dann angewöhnt, einzuschalten. Irgendwann habe er gelernt, vor dem flimmernden Bildschirm zu essen, zu arbeiten, zu telefonieren. Oder sogar einzuschlafen. Aber spätestens als er erkannt hatte, dass er zu den früher verspotteten Menschen gehörte, die die "Sleep-Timer"-Funktion nutzen und schätzen, sei ihm klar geworden, dass etwas nicht stimme.

Dann habe er seinen Fernsehapparat verkauft. Ein paar Tage, sagte T., sei alles gut gewesen: Er habe gelesen. Beim Essen seiner Freundin in die Augen gesehen. Sei in der Früh nicht gegen den auf einem Wagerl vor dem Bett lauernden Apparat getaumelt – und habe keine Entzugserscheinungen gespürt. Anfangs. Denn dann habe er, sagte T, bemerkt, dass er nicht mehr mittratschen konnte. Seine Spielkonsole habe ihn traurig angeschaut. Und als er und seine Freundin dann an einem grauslichen Spätnovemberwochenendnachmittage vor dem Laptop am Buch lagen um sich DVDs reinzuziehen, habe es ihm gereicht, gestand T: Am nächsten Tag war er beim Elektrogroßmarkt.

Flach

Er habe, sagte T., sich für einen Flachbildfernseher entschieden. Aus pragmatischen Gründen. (Seine Freundin begann zu hüsteln.) Das Teil würde die Wohnung nicht dominieren. Und an der Wand montiert: Das Schlafzimmer bliebe so TV-freie Zone. Außerdem wären LCD-Fernseher gar nicht mehr so viel teurer. (T.s Freundin hustete.) Er habe sich dann für einen netten Fernseher entschieden, erzählte T. Auf dem Heimweg habe sich seine Freundin zwar fast das Bein gebrochen - aber er, gab T. zu, sei für Zeichen und Auspizien bereits blind gewesen.

Nach zwei Tagen – T. wollte gerade die Wandhalterung montieren und den Fernseher vom Rollwagerl (das Ding war natürlich ins Schlafzimmer vorgedrungen) an die Wand picken – war es Ende mit flach & lustig: Als T. das Antennenkabel abzog, kamen die Innerein des Gerätes mit. T. fluchte. Und hängte sich in die Telefonschleife des Elektromarktes. Ihm habe, sagte er, Übles geschwant. Doch wider Erwarten wurde alles nicht gut, sondern besser: man entschuldigte sich. T. würde umgehend ein neues Gerät bekommen. Geliefert. Frei Haus. Es gäbe nur ein Problem: T. habe das letzte Gerät der Serie gekauft – ob er mit einem anderen, höherwertigen, teureren zufrieden wäre? Natürlich trüge die Firma den höheren Preis.

Brummen

Der zweite Fernseher kam – und war tatsächlich besser. Bis auf einen kleinen Fehler: Sein Trafo brummte so laut, dass man das noch im nächsten Zimmer hören konnte. T. legte im Elektromarkt sein und eines Verkäufers Ohr an das dort ausgestellte Gerät: Kein Brummen. Der Elektromarkt war zerknirscht. Das Gerät werde umgehend ausgetauscht. Ob T. übermorgen Zeit habe? T. hatte.

Doch der dritte Fernseher kam nie an. Eine Viertelstunde vor dem Ende des vereinbarten Lieferfensters, rief der Lieferant an, erzählte T.: Ihm sei das Gerät gerade zu Boden gefallen, habe der Mann referiert. Und zwar so, dass T. das Gefühl bekam, das Unglück sei seine Schuld. Ein neues Gerät, habe der Lieferant geblafft, wäre nicht vor eineinhalb Wochen lieferbar. Ob das eh ok sei? T.s Gegenfrage nach der Alternative wurde nicht beantwortet: Der Lieferant hatte aufgelegt.

Tunerdefekt

Der Elektromarkt war aber doch schneller: Schon drei Tage später – und um 19.30 Uhr – stand der vierte Fernsehapparat in T.s Wohnung. Er brummte nicht. Doch nachdem T. den automatischen Programmsuchlauf aktiviert hatte, stellte er fest, dass nur zwei der 24 gefundenen Sender wirklich gut zu sehen waren. Zehn weitere – im Kabelnetz angeblich vorhandene - aufzuspüren weigerte sich der Apparat. Und Bild und/oder Ton von 22 Sender erinnerten T. an den FS2-Empfang via Zimmerantenne in der Souterrainwohnung seiner Großmutter in den 70er-Jahren.

Beim Elektromarkt blieb man freundlich: T. bekäme ein neues Gerät. Umgehend. Frei Haus. Nur sei das zuletzt gewählte Modell mittlerweile ausverkauft. Für ein teureres, besseres Gerät müsse er aber nur die Hälfte der Differenzsumme drauflegen. T. sagte, ihm sei schon alles egal gewesen. Er habe etwas aufgezahlt und dann daheim auf seinen Fernseher gewartet. Den fünften binnen zwei Wochen.

Das Gerät kam, wurde installiert und funktionierte. Zwei Tage später, erzählte T., habe ihn dann der Vertriebsleiter der Elektrokette angerufen: Ob diesmal alles in Ordnung sei? Ja, sagte T., habe er geseufzt. Einzig das Programm sei schlecht wie eh und je, Fernsehen eigentlich reine Zeitverschwendung. Der Vertriebsleiter, erzählte T., habe ihm daraufhin beigepflichtet – und ein Geständnis abgelegt: Er habe vor kurzem einen lichten Moment gehabt – und seinen Fernseher verschenkt.