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Ali Hassan al-Majid bei seiner Anhörung

Foto: AP
Überlebende des Giftgasangriffs auf den kurdischen Ort Halabdja kritisieren die Anhörungen von Saddams Schergen als Farce. Sie entsprächen internationalen Standards nicht. Die Übergangsregierung versuche nur Stimmung für die im Jänner geplanten Wahlen zu machen.

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Tariq Aneen ist enttäuscht darüber, wie mit den Gräueltaten aus der Zeit von Saddam Hussein umgegangen wird. Er selbst ist ein Überlebender des Giftgasangriffes der irakischen Armee auf Halabdja. Ali Hassan al Majid, besser bekannt als "Chemical Ali", der die Aktion angeordnet haben soll, wird in Bagdad einem Richter vorgeführt. So verkündeten lautstark Übergangspräsident Ijad Alawi und sein Verteidigungsminister Hasem al Schalan. Doch von einem Tribunal sind die Vorbereitungen weit entfernt. Am Wochenende gab es nur nur eine Anhörung ohne Bedeutung. "Das ist nichts als Wahlkampf um den Iraker das Gefühl zu geben, dass die Übergangsregierung etwas unternimmt. Ein rechtsstaatlicher Prozess ist in weiter Ferne", sagt der enttäuschte Kurde.

Tariq Aneen (37) überlebt den Gasangriff nur durch einen Zufall. Er verlies sein Elternhaus sehr früh um nach den Schafherden in den Bergen zu sehen. Es war ein klarer Frühlingstag am 16. März 1988 als er die Helikopter über Halabdja sah. Er konnte die gelblichen Nebelschwaden gut sehen die durch die Stadt zogen. Als er tiefer ins Tal kam konnte er den Tod sogar riechen. Süßlich und bitter hat er es auf der Zunge gespürt.

Überall hörte er Stöhnen und Röcheln. "Nie werde ich diesen Tag vergessen", so Tariq. Er verlor seine gesamte Familie durch den Abwurf des Senfgases, Sarin und den Kampfstoff VX. Etwa 5000 Menschen starben an diesem Tag in Halabdja, als Saddam Hussein beschloss, die Kurden seines Landes zu bestrafen, weil er sie der Kollaboration mit Iran verdächtigte.

Ungefragte Zeugen Aneen gehört zur Kommission die die Spuren und Opfer des Massakers in Halabdja später dokumentiert hat. "Bis heute hat noch kein Staatsanwalt oder Gericht aus Bagdad bei der Kommission wegen den Daten, Fakten und Bilder zu dem Angriff nachgefragt. Auch eine Zeugenbefragung von Überlebenden gehört dazu. In der jetzigen Anhörung will die Übergangsregierung in der Hauptsache dem irakischen Volk die Gefangenen vorführen", so Aneen.

Es fällt ihm auch besonders auf, dass das "Spektakel" wie er es nennt, fast auf den Tag mit dem offiziellen Beginn des Wahlkampfes - Ende Jänner soll gewählt werden - zusammen fällt. Die Doku-Kommission von Halabdja befürchtet, dass der Irak so die Chance zur Aufarbeitung seiner brutalen Vergangenheit für immer verpasst. Oder die Prozesse gegen die Saddam-Riege verkommen zu einer Siegerjustiz. Genau deswegen will Saddam Hussein den Prozess gegen ihn in den USA anfechten.

Derzeit gibt es in Bagdad nicht einmal ein Gerichtssaal in dem ein Prozess nach internationalem Standard durchgeführt werden kann. Die Vorführungen finden an einen geheimen Ort in einem Expalast Saddam Hussein statt. Nur Angeklagte sind von vorn zu sehen. Außer einer TV-Kamera und einem Richter gibt es keine Öffentlichkeit.

Keiner weiß, wer der Richter ist. Es sollen noch irakische Beobachter im Raum sein, aber die müssen auch geschützt werden damit sie nicht von Aufständischen später umgebracht werden. Das alles, so sagt Aneen, ist für die Aufarbeitung der dreißigjährigen Gräuelherrschaft Saddams fast schon peinlich. (DER STANDARD, Printausgabe, 20.12.2004)