Selten gewährt die Verstaatlichtenholding ÖIAG Einblicke in ihr staatstragendes Wirken. Dieser Tage gab es solch einen raren Fall, und der bot besonders tiefen Einblick. Der Anlass: Noch bevor die VA-Tech-Führung ihre Beurteilung über das von Siemens gestellte Übernahmeangebot abgegeben hat, bezeichnet die mit 14,7 Prozent beteiligte Staatsholding dieses in aller Öffentlichkeit als "fair". Ja, man könne mit 55 Euro je Aktie leben, erklärt ÖIAG-Vorstand Peter Michaelis. Einfach so.

Abgesehen davon, dass Michaelis offenbar immer noch nicht verstanden hat, dass es nicht gut ankommt, wenn er im Namen der Steuerzahler aus freien Stücken auf einen Mehrerlös verzichtet, den sich ein Weltkonzern wie Siemens, wenn nicht aus der Portokasse, so doch locker leisten kann.

Aktionspreis

Es drängt sich auch die Frage auf, ob in der noblen Wiener Dresdnerstraße wirklich die richtigen Leute an der richtigen Stelle sitzen. Denn anstatt zum möglichst besten Preis zu verkaufen, wie das jeder normale Händler täglich versucht, werben die staatlichen Verkäufer mit einem Aktionspreis.

Dass Siemens nur einen aufgrund der fundamentalen Unternehmensdaten plausiblen Preis zahlen will, ist völlig normal. Ebenso dass der Elektromulti erst nachbessern will, wenn sich abzeichnet, dass nicht genug Aktionäre verkaufen wollen. Die Börse aber ist nicht irgendeine Budel, sondern ein Handelsplatz, an dem neben Unternehmenswerten vor allem Zukunft und Fantasie gehandelt werden. Und dazu gehört die marode Vergangenheit eines Unternehmens nicht.

Es kann also nicht das Ziel der ÖIAG sein, sich darüber zu freuen, dass sie mehr bekommen wird, als man es noch vor zwei Jahren nicht einmal zu träumen wagte. Es sei denn, sie hat von ihrem Eigentümer andere Vorgaben bekommen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18./19.12.2004)