Washington/Wien – Die USA sind nach wie vor stark an einem EU-Beitritt der Türkei interessiert, sie werden allerdings den Brüsseler Gipfel strikt aus einer bloßen Beobachterperspektive wahrnehmen und den europäischen Partnern keinerlei Ratschläge erteilen, meinte der im amerikanischen Außenamt für Europa und Eurasien zuständige Staatssekretär Glyn T. Davies am Mittwoch in einem per Satellit übertragenen Gespräch mit Journalisten in Wien und in Madrid.

Davies sagte, dass er kein verniedlichendes Bild von der Realität in der Türkei zeichnen wolle, und dass dem Land etwa beim Minderheitenschutz und den Menschenrechten noch viele Herausforderungen bevorstünden. Es sei aber auch festzuhalten, dass Ankara in den vergangenen Jahren enorme politische und gesellschaftliche Fortschritte erzielt habe.

"Die Türken sind bereit, hart zu arbeiten, um auf diesem Weg weiter zu kommen", meinte Davies. Nur eine EU- Mitgliedschaft des Landes werde künftig gewährleisten, dass Brüssel die Türkei "weiterziehen und weiterschieben kann". Zu den kulturellen und historischen Unterschieden zwischen EU und Türkei meinte Davies, dass es bei der EU nicht nur um die Vergangenheit gehe, sondern um gemeinsame Ziele: "Demokratie, Freiheit, Marktwirtschaft."

Die Unterhaltung mit Davies ist als kleiner Teil einer amerikanischen Dialoginitiative zu sehen, mit der die seit dem Irakkrieg fallweise stark strapazierten transatlantischen Beziehungen wieder aufgemöbelt werden sollen.

Davies gestand die Reparaturbedürftigkeit dieser Beziehungen freimütig ein, schickte aber gleich nach, dass Präsident George W. Bush den Europäern gewiss nicht gegenübertreten werde wie ein Delinquent seinen Bewährungshelfern. Seit etwa einem halben Jahr – den Wendepunkt setzte er mit den D-Day- Feiern in der Bretagne an – bemühten sich beide Seiten nach Kräften um eine Verbesserung der Beziehungen: "Und auf den meisten Gebieten sind wir auch gut unterwegs."

Zum Irak meinte Davies, dass es sich mit ihm verhalte wie mit dem Glas Wasser, das man als halb voll oder halb leer bezeichnen kann. Natürlich gebe es die anhaltende Gewalt und die Arbeit in einem multilateralen Kontext sei immer schwierig, aber es gebe eben auch Fortschritte beim Aufbau der Infrastrukturen sowie die Aussicht darauf, dass die Iraker nach den Wahlen im Jänner eine demokratisch besser legitimierte Regierung haben werden.

Was die diplomatischen Initiativen der Europäer betrifft, den Iran von seinem Atomplänen abzubringen, so meinte Davies, dass die US-Regierung hier "sehr skeptisch" bleibe. Diese Skepsis werde auch durch die Rolle genährt, welche Teheran bei der Unterstützung von Aufständischen im Irak spiele. Washington setze den europäischen Initiativen im Iran aber keinen Widerstand entgegen. Und die europäisch-amerikanische Rollenverteilung gegenüber Teheran lasse sich durchaus auch im Sinne des Musters "Guter Polizist, böser Polizist" begreifen.

"Sehr besorgt" sei Washington über die jüngsten Ereignisse in der Ukraine gewesen. Es gelte jetzt, die Entwicklungen genau zu beobachten und vor allem die Rolle, die Russland in diesem Zusammenhang spielt, zu analysieren. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.12.2004)