Abgeordnete lehnen alle Einwände gegen Türkei-Verhandlungen ab - Freie Hand für Schüssel
Redaktion
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Es ist nur ein Signal – aber ein
wichtiges. De jure hat die Abstimmung des Europaparlaments zur Türkei kein Gewicht, weil die Entscheidung
am Gipfel (und nur dort) fällt.
De facto wird der Abstimmung
vom Mittwoch aber schon deshalb große Signalwirkung zugemessen, weil sie einen Tag
vor dem Türkei-Gipfel angesetzt wurde. Daher wird das
Ergebnis der Abstimmung als
Abbild der Meinungslage gewertet: Die Anhänger der Alternativen zum Beitritt erlitten eine herbe Niederlage.
Alle Anträge, die das Ziel
des Beitritts relativieren wollten (etwa von ÖVP-Abgeordneter Ursula Stenzel) wurden
niedergestimmt. Mit klarer
Mehrheit (407 Ja-, 262 Neinstimmen) wurde ein Antrag
angenommen, der "unverzüglich Verhandlungen mit der
Türkei" empfiehlt und als
"Ziel die EU-Mitgliedschaft
der Türkei" nennt. "Das ist
keine Stärkung der Position
von Wolfgang Schüssel",
seufzte Stenzel. Auch ihr Parteifreund Othmar Karas
stimmte für Verhandlungen (mit ihm von den Österreichern nur Hannes Swoboda,
SPÖ, und Karin Resetarits).
Die Stimmungslage unter
den Staats- und Regierungschefs ist ähnlich: Auch dort
lehnt eine breite Mehrheit die
von Österreichs Kanzler Wolfgang Schüssel propagierte Alternative zum Vollbeitritt ab.
Allerdings fallen die Entscheidungen am Gipfel im Gegensatz zum Europaparlament
einstimmig – theoretisch kann also ein Regierungschef die
Beschlüsse blockieren.
"Auf Grundlage meiner Gespräche rechne ich mit einer
Zustimmung, aber wir brauchen eine einstimmige Entscheidung", erklärte der niederländische EU-Ratspräsident Jan Peter Balkenende die
Notwendigkeit, auch Bremser
wie Schüssel ins Boot zu holen. Balkenende geht zwar von
einem Ja zu Verhandlungen
aus – auf Druck Österreichs und Frankreichs wird aber an
einer Formulierung gebastelt,
die den "offenen und unvorhersagbaren Ausgang" der
Verhandlungen betont.
Dezidierte Alternativen
zum Vollbeitritt sollen aber
nicht im Gipfeltext festgeschrieben werden. Schüssel
kämpft noch darum, dauerhafte Ausnahmen für die Türkei
bei der Arbeitsmigration im
Text zu verankern. Heftig gerungen wird auch um die Textpassage zur Anerkennung
Zyperns. Die EU verlangt von
der Türkei am Gipfel ein Signal, Zypern anzuerkennen –
da es ausgeschlossen sei, dass
der EU-Beitrittswerber Türkei
zum EU-Mitglied Zypern keine diplomatischen Beziehungen unterhält. Falls für all das
eine Lösung gefunden wird,
kann ein Datum für den Verhandlungsstart festgelegt werden: als wahrscheinlich gilt
Herbst 2005. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.12.2004)
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