Desktop

Einen neuen Anlauf für ein Desktop-Betriebssystem nimmt Novell mit dem Novell Linux Desktop (NLD). Enstanden aus der Vermischung der zugekauften Ximian und SUSE-Technologien will das Produkt vor allem durch seine BenutzerInnenfreundlichkeit punkten. Ob der NLD dieses Versprechen auch einhalten kann, und wie es sonst um die neue Linux-Distribution bestellt ist, soll der folgende Test untersuchen.

Die Eckdaten des Systems bilden Kernel 2.6.5, ein aufpolierter GNOME 2.6.x und KDE 3.2.x. Als Grafikserver kommt noch XFree86 4.3.99 zum Einsatz, die letzte Version vor der umstrittenen Lizenzänderung also.

Screenshot: Redaktion

Alles besser?

Während in der Vergangenheit die meisten Linux-Varianten vor allem auf ein möglichst großes Angebot an vefügbarer Software gesetzt haben, tauchen in letzter Zeit zunehmend neue Distributionen auf, die stattdessen versuchen eine kleinere - dafür aber besser sortierte - Auswahl zu treffen. Mit einem solchen genau zugeschnittenen Angebot will auch der Novell Linux Desktop punkten, konkretes Ziel soll dabei der Einsatz auf Firmendesktops sein, vor allem in Bereichen wo ein begrenztes Anforderungs-Setting gegeben ist, erhofft man sich starkes Interesse.

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Auswahl

Im Vorfeld des Erscheinens des NLDs stark umstritten war die Frage, für welche Desktop-Umgebung sich denn Novell nun entscheiden würde. Schließlich sind zahlreiche Ximian EntwicklerInnen zentrale Persönlichkeiten in der GNOME-Community, während SUSE in der Vergangenheit immer der größte Förderer von KDE war. Die Lösung ist eine pragmatische: Der NLD bietet bei der Installation beide Umgebungen zur Auswahl an, je nach persönlichem Geschmack kann wahlweise die eine oder die andere zum Einsatz gebracht werden. Ob dies Sinn macht oder auch funktioniert - dazu später mehr.

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Einrichten

Der Installation selbst ist jedenfalls die SUSE-Vergangenheit stark anzusehen, abgesehen vom optischen Feinschliff sind wenige Unterschiede zum Installer der aktuellen SUSE Linux bemerkbar. Dies macht allerdings auch recht wenig, schließlich funktioniert dieser ja auch sonst so gut einwandfrei.

Der Großteil der Einrichtung erfolgt dabei automatisch, eine Übersicht präsentiert dann die vorgeschlagenen Parameter und erlaubt deren Fein-Tuning. Allgemein funktioniert das alles recht einfach, ausgenommen...

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vielleicht

die Einrichtung der Festplattenpartitionierung. Wer hier den Weg der automatischen Konfiguration verläßt muss sich mit einem reichlich BenutzerInnen-unfreundlichen Tool herumschlagen. Das gibts bei anderen Distributionen - vor allem Mandrake - besser, auch wenn natürlich so eine Partitionierung sowieso immer eine sehr delikate Geschichte ist.

Ohne viel weiteres Aufheben, gehts...

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voran

zum Aufspielen der Daten, was im konkreten Fall vor allem bedeutet: Warten und den üblichen Eigenwerbungssprüchen lauschen.

Ein paar Minuten später gehts dann jedoch...

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weiter

Der Installer nimmt noch ein paar abschließende Einstellungen vor - UserInnen-Input ist auch hier nicht vonnöten - um dann einen Reboot des Systems durchzuführen.

Wer sich jetzt schon gefreut hat, dass die Installation ja überraschend schnell erledigt war, hat sich freilich...

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zu früh

gefreut denn nach dem Neustart gehts weiter mit der nächsten Runde Daten auf die Festplatte schaufeln, kein Wunder wollen doch die Programme von insgesamt drei CDs installiert werden.

Zum Abschluss der Installation folgt natürlich noch die...

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Konfiguration

Wie schon zuvor wird die meiste Hardware hier automatisch erkannt, läuft ein DHCP-Server wird das Netzwerk selbsttätig eingerichtet, erkennt der Installer Monitor und Grafikkarte, sind auch hier maximal noch Feineinstellungen vorzunehmen. Erfreulich auch, wie stark sich doch Linux mittlerweile bei der Hardware-Unterstützung verbessert hat, mit einer nicht all zu exotischen Ausstattung gibt es kaum mehr Probleme, in der konkreten Test-Situation wurde alles richtig erkannt.

Praktisch auch das...

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Angebot

die Netzwerkverbindung gleich auf Funktionieren zu Testen und aktuelle Updates noch vor dem ersten Systemstart zu installieren. Zumindest in der Theorie, denn zweiteres hat im Test kein einziges mal funktioniert, der Installer wollte partout keine notwendigen Updates finden, obwohl eigentlich bereits welche erhältlich waren.

Ein kurzer Exkurs: Um Updates zu erhalten ist eine Aktivierung des Services notwendig, diese erfolgt mit einer Seriennummer, die beim Kauf oder dem Download der kostenlosen Test-Version erteilt wurde. Zweitere ist übrigens in der Softwareausstattung uneingeschränkt, die Update-Möglichkeit endet allerdings nach 60 Tagen.

Doch genug der Installation, rein ins...

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Vergnügen

Im konkreten Fall handelt es sich dabei um einen GNOME-Desktop, wie er schöner kaum sein könnte. Bereits auf den ersten Blick zeigt sich, dass Novell offenbar eine Menge Zeit für den Feinschliff aufgewendet hat, vor allem im Vergleich zu oft stiefmütterlich behandelten SUSE-GNOME ist der NLD-GNOME eine Freude in jeder Hinsicht.

Vor allem in die Integration der einzelnen Komponenten und das einheitliche Look & Feel ist sichtlich einiges an Arbeit geflossen, so erstrahlt der...

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Mozilla Firefox

im Glanz des standardmässigen Industrial-Themes, praktisch alle Icons wurde dem Standard-Design des Desktops angepasst.

Doch die Integration gibt sich nicht nur mit oberflächlichem ab, so verwendet der Firefox in der NLD-Ausgabe standardmässig auch den...

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GNOME-eigenen

File Selector, eine Funktionalität, die der Standard-Firefox unter Linux bisher noch nicht aufweisen kann, für eine durchgängige Usability-Erfahrung aber sehr hilfreich ist.

Auch sonst finden sich zahlreiche nette...

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Details

So gibt es im Kontext-Menü des File Managers Nautilus den neuen Punkt "Send to", der ausgewählte Dateien an den E-Mail-Client...

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Evolution

weiterreicht. Diese werden dann automatisch ins Attachment gepackt, fehlt nur mehr das Eintragen der Ziel-Adresse und schon kann das Ganze verschickt werden.

Ein zusätzliches Plus für den NLD ist der Umstand dass Novell einige...

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Schriften

von AGFA lizensiert hat, um dem Ganzen ein professionelleres Schriftbild zu verpassen.

Gute Arbeit hat Novell auch bei der Integration des Office-Pakets OpenOffice.org geleistet, dass ebenfalls in Look & Feel der Desktop-Umgebung angepasst wurde, je nachdem ob GNOME oder KDE gestartet wurden, erscheint ein anderes Icon-Set und ein unterschiedlicher Button-Look.

Doch wo viel Licht ist, ist natürlich auch der sprichwörtliche...

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Schatten

auch wenn dieser sich eher im Detail versteckt, im konkreten in Menü-Struktur des NLD. Zwar ist diese prinzipiell ziemlich aufgeräumt und übersichtlich, im Gegensatz zum restlichen System weist sie aber auch einige Punkte auf, die schlicht keinen...

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Sinn

ergeben. So findet sich unter "Internet" der Punkt Network Selector, der das - übrigens vor allem für BenutzerInnen von WLAN überaus nützliche...

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netapplet

startet, über das die Auswahl zwischen verschiedenen Netzwerkzugängen getroffen werden kann. Das bringt allerdings nicht viel, da das entsprechende Applet ja sowieso schon standardmässig installiert und gestartet wird, ein solcher Eintrag also eher zur Verwirrung beiträgt.

Rätselhaft auch wie das folgende...

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Beispiel

durch den Beta-Test kommen konnte. Denn bei der Standard-Installation findet sich der Menüpunkt Software-Development, ohne dass ein einziges Programm darin installiert ist - komplett mit ebenfalls leerem Untermenü.

Gleich...

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Dreimal

findet sich der Eintrag für den Evolution, neben einem Starter im Panel ist er sowohl unter Internet als auch unter Office > More zu finden. Apropos: More. Allgemein ist die Frage zu stellen, ob eine solche Art von Untermenüs Sinn machen, im konkreten Fall sind sie aber zweifelsfrei reichlich entbehrlich, da sich dort immer nur ein, zwei Einträge finden, die auch ins normale Menü gepasst hätten, ohne das dessen Übersichtlichkeit gelitten hätte.

Genug der Menüs, zurück zu etwas grundlegenderen...

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Fragen

Denn wer nun glaubt nach der Entscheidung für die Desktop-Umgebung ein reines GNOME oder KDE-System zu betreiben, der irrt. Bei beiden Installationsarten wird auch das andere System beinahe vollständig mitinstalliert, kein Wunder werden doch auch jeweils Anwendungen der "anderen Welt" zum Einsatz gebracht. Während es unter GNOME kaum einen brauchbaren Einsatz für die CD-Brennsoftware K3B gibt und diese Entscheidung durchaus verständlich ist, stellt sich die Frage, wieso auch hier...

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KDE-Software

zur Anzeige der Hilfe verwendet wird. Während Novell offenbar recht viel Zeit - sinnvollerweise - in die bessere Integration einzelner Komponenten verwendet hat, werden auf der anderen Seite durch die Vermischung der beiden Desktop-Welten eine Reihe von Usability-Problemen aufgetan, eine Vorgangsweise, die wenig Sinn ergibt.

Immerhin wurde versucht die KDE und GNOME-Themes möglichst anzupassen, das geht soweit, dass auch das zentrale Administrationstool...

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YAST

GNOME-typische Icons spendiert bekommen hat. Allerdings zeigt sich beim YAST wieder ein anderes Problem, nämlich, dass hier offenbar - wie im Screenshot zu erkennen ist, das GUI-Theme nicht richtig übernommen wird und das Tool so auch im Vergleich zu anderen KDE-Anwendungen noch mal anders aussieht.

Abseits des Oberflächlichen ist der YAST ein mächtiges...

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Tool

mit dem sich so ziemlich alle Systemeinstellungen vornehmen lassen, so kann hier nicht nur zusätzliche Hardware konfiguriert werden, auch so gut wie alle bei der Installation gemachten Fehler können korregiert werden...

Zur Konfiguration der Desktop-Umgebung dient hingegen das...

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GNOME-Kontrollzentrum

Im NLD gibt es dafür einen Mac OS X-ähnlichen Einstellungsdialog statt der gewohnten Einzelmenüeinträge, eine Lösung wie sie auch dem Standard-GNOME besser anstehen würde.

Natürlich will so ein System auch...

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aktuell

gehalten werden, dazu dient die ehemalige Ximian-Anwendung Red Carpet, die vor allem durch ihre einfach Bedienung besticht. Ein Panel-Applet informiert die UserInnen über das Vorhandensein neuer Updates, ein paar selbsterklärende Klicks später werden diese auch schon installiert. Zur Belohnung gibt es dann quasi das...

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Zertifikat

für ein aktuelles System :) Hier lässt sich auch zusätzliche Software nachinstallieren, wie zum Beispiel ein umfangreiches Software Development Kit, das Novell für sein Produkt anbietet.

Übrigens können die entsprechenden Updates auch über den...

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YAST

vorgenommen werden, während der Installation wurde sogar darauf hingewiesen, dass hier die kommerziellen nvidia-Treiber nachgerüstet werden können. Allein - sie sind weder hier noch in Red Carpet zu finden. Prinzipiell sollte sich Novell wohl zumindest für die Betonung einer Lösung entscheiden, um unnötigen Verwirrungen vorzubeugen.

Als Alternative zum GNOME bietet der NLD auch noch eine...

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KDE-Umgebung

an. Doch schnell zeigt sich, dass die Entscheidung für die Aufnahme des KDE wohl eher eine politische als eine technische war. Die Oberfläche wirkt wesentlich weniger aufgeräumt, die einzelnen Komponenten schlechter integriert, das Ganze macht einen recht lieblosen und wohl kaum getesteten Eindruck.

Anders ist es wohl kaum zu...

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erklären

dass auch bei einer "KDE-Entscheidung" während der Installation vollkommen verwaiste Überreste des GNOME-Menüs übrig bleiben. Im konkreten Fall wird der GNOME-File-Manager Nautilus gestartet, der dann passenderweise auch noch keine korrekten Icons anzeigt.

Auch die...

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Menüstruktur

lässt zu wünschen übrig, so findet sich hier - siehe Screenshot - der Eintrag für den YAST gleich zweimal direkt nebeneinander.

Unverständlich auch, warum...

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OpenOffice.org

zwar mit KDE-Icons daher kommt, es aber nicht schafft das Standard-KDE-Theme korrekt zu übernehmen.

Zum Vergleich...

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so

sollte das richtig aussehen, hier der YAST in der angepassten KDE-Version.

Bleibt das...

Screenshot: Redaktion

Fazit

Während der NLD wohl für KDE-BenutzerInnen kaum eine Versuchung wert ist, ist die GNOME-Umgebung - trotz der hier aufgeführten kleineren Mängel - momentan "State of the Art". Die klare Ausrichtung der Softwareausstattung und die gute Auswahl der Komponenten macht sich bezahlt, auch die leichte Administrierbarkeit macht den NLD gerade zu einer Empfehlung für sein Zielgebiet - den Firmeneinsatz. Die jährlichen Kosten für den Zugang zu Updates belaufen sich auf 50 US Dollar pro Gerät, alternativ kann auch um 90 US Dollar eine unbegrenzte - also bis zum Auslaufen des Produkts gültige - Lizenz erworben werden.

Für die...

Screenshot: Redaktion

Zukunft

aber noch ein Ratschlag an Novell: Auch wenn es eine - wohl auch firmenintern - schwierig zu fällende Entscheidung sein wird, so sollte sich die nächste Version des Novell Linux Desktops für eine der beiden zur Auswahl stehenden Desktop-Umgebungen entscheiden. Das "Best of Both Worlds"-Konzept mag zwar gut klingen, bringt in der Realität des NLDs aber mehr Probleme als es löst. Und wenn das schon nicht möglich ist, dann sollten wenigstens die EntwicklerInnen der beiden Lager dazu gebracht werden vernünftig miteinander zu kommunizieren, denn das dem derzeit nicht so ist, beweist sowohl der lieblose KDE im NLD als auch der nicht minder halbherzig implementierte GNOME in der aktuellen SUSE Linux. (apo)

Screenshot: Redaktion