"Forum Asyl": Qualität der Asylbescheide deutlich gesunken

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Wien - Die Qualität der Asylbescheide ist seit Inkrafttreten des neuen Asylgesetzes im Mai deutlich gesunken. Darauf verweisen die im "Forum Asyl" organisierten Organisationen, darunter Caritas, Diakonie und amnesty international (ai). Wie Diakonie-Direktor Michael Chalupka bei einer Pressekonferenz am Mittwoch betonte, hat der Unabhängige Bundesasylsenat (UBAS) bis Ende Oktober 67 Prozent der angefochtenen Bescheide aufgehoben. Im Vorjahr waren es seinen Angaben zufolge nur 36 Prozent.

Von 4.000 angefochtenen erstinstanzlichen Asylbescheiden hat der UBAS, die zweite Instanz im Asylverfahren, demnach nur 1.300 bestätigt. 2.700 Bescheide wurden gekippt. Besondere Mängel machen Chalupka und Heinz Patzelt, Generalsekretär von ai-Österreich, bei jenen Bescheiden aus, die in den Erstaufnahmestellen Thalham und Traiskirchen verfasst wurden. Dort finde nur "Abwehr, Asylverhinderung und Abschreckung" statt, "so lange es möglich ist", kritisiert Patzelt.

Innenministerium weist Kritik zurück

Das Innenministerium weist die Angaben des Forum Asyl zur Aufhebungsquote im Asylverfahren zurück. Der Unabhängige Bundesasylsenat (UBAS) bestätige durchschnittlich 80 Prozent der erstinstanzlichen Bescheide, betonte Ministeriums-Sprecher Johannes Rauch am Mittwoch. Auch die Kritik an der Personalsituation der ersten Instanz weist Rauch zurück: "Selbstverständlich gibt es gut ausgebildetes Personal." Außerdem gebe es laufend Schulungen.

Die Kritikpunkte der Hilfsorganisationen würden natürlich ernst genommen, so Rauch. Ein Gutteil der von den Hilfsorganisationen erhobenen Forderungen sei jedoch bereits Status Quo.

Zur Forderung des ÖVP-Menschenrechtssprechers Matthias Ellmauer nach mehr Personal für den UBAS meinte Rauch: "Der UBAS hat bereits am 1. August mehr Personal bekommen." Man werde sich das Thema aber ansehen.

Keine Evaluation der Bescheide durch das Innenministerium

Da das Innenministerium keine interne Evaluation vornehme, wie Patzelt kritisierte, haben die Organisationen nun 56 von diesen Asyl-Bescheiden selbst analysiert. Das Ergebnis: Ein einzelfallbezogenes Ermittlungsverfahren sei keinem einzigen der untersuchten Verfahren zu entnehmen. Auch Zeugen oder Sachverständige seien nicht befragt worden. Während in den 56 Bescheiden 406 Seiten auf allgemeine Herkunftslandinformation entfallen, beziehen sich nur fünf Seiten auf einzelfallbezogene Angaben der Asylwerber.

Hilfsorganisationen fordern mehr qualifiziertes Personal für Asylverfahren

Für Erich Fenninger von der Volkshilfe kann angesichts dieser Zahlen nicht mehr von der Existenz einer funktionierenden ersten Instanz gesprochen werden. Er fordert wie Chalupka mehr und besser ausgebildete Mitarbeiter im Bundesasylamt und in den Erstaufnahmestellen. Während in Deutschland nur 18 Asylwerber auf einen Beamten entfallen, muss sich ein Beamter in Österreich laut Chalupka um 180 Asylwerber kümmern. Juristische Ausbildung sei für die Beamten nicht vorgesehen.

Entsprechend lesen sich auch die Asylbescheide: So wurde einem nigerianischen Asylwerber beschieden, er hätte nicht ins Ausland fliehen müssen, denn: "Beispielsweise steht es einem von privater Seite Verfolgten offen, in der Millionenstadt Lagos (...) - allenfalls unter Annahme einer anderen Identität - unterzutauchen bzw. sicher zu leben." Einem Nigerianer, der angegeben hatte, drei Stunden lang kopfüber aufgehängt worden zu sein, wurde mitgeteilt: "Wenn Sie drei Stunden an einem Seil hängen, müsste die Narbe ringförmig den ganzen Unterschenkel umfassen. Bei Ihnen ist sie nur ca. 10 cm über den Umfang verteilt."

Vom neuen Innenminister erhofft sich Chalupka eine sachliche Lösung. "Was wir uns immer wieder sagen müssen ist, dass im Asylverfahren Entscheidungen über Schicksale getroffen werden." Die Hilfsorganisationen seien jedenfalls zur Mitarbeit bereit. (APA)