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Wien - Die ÖVP/FPÖ-Koalition ist in der Frage, ob mit der Türkei EU-Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden sollen, uneins. Die Aufnahmefähigkeit der Europäischen Union müsse mit dem Beginn des Verhandlungsprozesses mit der Türkei zu vereinbaren sein, zugleich müsse die Türkei in den europäischen Strukturen verankert werden, sagte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) am Mittwoch zur Zielsetzung des am morgigen Donnerstag beginnenden EU-Gipfel in Brüssel. Wichtig sei, "dass es ein offener Prozess ist und dass das Verhandlungsergebnis nicht von vornherein festgelegt ist", betonte Schüssel vor der Presse in Wien.

"Jedenfalls soll es eine starke Verankerung der Türkei in der EU geben", betonte der Kanzler. "Unsere Linie ist: Verhandlungen beginnen, Kapitel für Kapitel, dann entscheiden, was ist der institutionelle Rahmen." Die österreichische Regierung gehe "mit überzeugenden Elementen in diese Verhandlungen, auch wenn im Hauptausschuss keine gemeinsame Position erreicht worden ist". Sowohl Schüssel als auch Außenministerin Ursula Plassnik hoben die Notwendigkeit von Sonderregelungen auf dem Arbeitsmarkt hervor.

Plassnik erklärte, die Verhandlungen würden nicht vor 2014 abgeschlossen werden können. Jedenfalls werde der Verhandlungprozess ein langer sein. Vor dem Beitritt müsste der Finanzplan 2014 bis 2020 erstellt sein. Plassnik geht auch davon aus, dass es im Zuge der Beitrittsverhandlungen zwischen einer Annäherung zwischen der Türkei und Zypern kommen wird. In die Gipfel-Schlussfolgerungen werde eine "Stopptaste" eingebaut, die puncto Menschenrechte und auch Absorptionsfähigkeit eine Aussetzung des Prozesses erlaube.

FPÖ-Bundesparteiobfrau Ursula Haubner bedauerte, dass der freiheitliche Antrag im Hauptausschuss heute, Mittwoch, keine Mehrheit gefunden hat. "Wir Freiheitliche haben ÖVP und SPÖ die Möglichkeit geboten, gemeinsam mit uns gegen die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu stimmen. Gerade die SPÖ befindet sich anscheinend auf einem solchen Zickzackkurs, dass es ihr einfach nicht möglich ist, der klaren Linie der FPÖ zu folgen", so Haubner laut einer Aussendung.

SPÖ weiterhin für privilegierte Partnerschaft

SPÖ-Klubchef Josef Cap forderte in einem Antrag an den Hauptausschuss des Nationalrates eine strategische Partnerschaft mit der Türkei nach dem Modell des EWR. "Die Türkei ist ein wichtiger Partner der EU. Die EU soll daher die Beziehungen mit der Türkei auf Basis des bestehenden Assoziationsabkommens weiter vertiefen und den Reformprozess in der Türkei mit Nachdruck unterstützen", erklärte Cap. Vorbild dafür könnte das EWR-Modell sein, das durch eine intensivierte Zusammenarbeit etwa im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik ergänzt werden könnte.

Die Regierung sei in einer Krise und diese Krise weite sich auch noch aus, konstatierte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos am Mittwoch. Aktuelles Indiz dafür sei, dass die Regierung nicht einmal in einer so wichtigen Frage wie des EU-Beitritts der Türkei eine einheitliche Linie gefunden habe. Die Koalition büße also immer mehr an Handlungsfähigkeit ein. In der Sicherheitspolitik und in der Außenpolitik sei die Regierung mittlerweile zum Stillstand gekommen, "nichts geht mehr", heiße es in diesen beiden Bereichen, so Darabos in einer Aussendung.

Wie die SPÖ orteten auch die Grünen eine Regierungskrise. Die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ulrike Lunacek, hielt dazu in einer Aussendung fest: "Im Hauptausschuss legt die FPÖ einen eigenen, der ÖVP völlig widersprechenden Antrag in dieser Causa vor. Und die ÖVP findet es nicht einmal mehr der Mühe wert, einen inhaltlichen Antrag einzubringen."

Fazit Lunaceks: "Die ÖVP und Bundeskanzler Schüssel machen ohnehin, was sie wollen. Jetzt wird nicht mal mehr vorgetäuscht, dass es relevant sei, was der Regierungspartner FPÖ davon hält." Das Gegeneinander von ÖVP und FPÖ im Hauptausschuss spiegle den tiefen Riss umso klarer wider, da auch von der SPÖ und von den Grünen Anträge eingebracht wurden. Üblicherweise würden sich die Regierungsfraktionen in letzter Minute zusammenstreiten, wenn Oppositionsanträge vorliegen. "Mittlerweile schaffen sie das auch nicht mehr", so Lunacek. (APA)