Washington - Seit dem Ende der Taliban-Herrschaft vor drei Jahren sind in US-Gefängnissen in Afghanistan acht Häftlinge gestorben und damit zwei mehr als bisher bekannt. Dies geht aus einem am Montag veröffentlichten Bericht des US-Verteidigungsministeriums hervor. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hatte die US-Regierung zuvor aufgefordert, Misshandlungen in US-Militärgefängnissen in Afghanistan ebenso scharf zu ahnden wie ähnliche Vorfälle im Irak. Das Pentagon warnte die Bundesregierung vor einer möglichen Verschlechterung der Beziehungen, sollte eine Strafanzeige gegen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld wegen des Folterskandals im Irak zugelassen werden.

Die am Montag vom Pentagon veröffentlichte Liste der Todesfälle führt nur drei Fälle auf, in denen die Ermittlungen noch laufen. Wegen der laufenden Ermittlungen werden keine detaillierten Angaben zu den Hintergründen gemacht. Zu den jetzt bekannt gewordenen neuen Fällen zählt laut Pentagon auch ein Gefangener, den afghanische Milizionäre bereits schwer verletzt vor dem Tor eines US-Stützpunkts zurückließen und der später in US-Gefangenschaft starb.

Systematische Misshandlungen

Human Rights Watch hatte der US-Armee und US-Geheimdienstmitarbeitern wiederholt systematische Misshandlungen von Gefangenen in Afghanistan vorgeworfen. Die Organisation hatte in zwei Berichten auf sechs Todesfälle hingewiesen, die bis ins Jahr 2002 zurückreichen. In einem offenen Brief an Verteidigungsminister Rumsfeld warf sie dem Pentagon vor, Ermittlungen erst dann aufgenommen zu haben, wenn besonders spektakuläre Fälle von Misshandlungen die Aufmerksamkeit der Medien erregten.

Anders als bei dem Folterskandal im irakischen US-Militärgefängnis von Abu Ghraib kämen die Untersuchungen in Afghanistan nur schleppend und unter "größter Geheimhaltung" voran. In keinem Fall sei ihres Wissens ein Militärgericht eingeschaltet worden, schrieb die Menschenrechtsorganisation in dem offenen Brief. Als Beispiel nannte sie den Fall eines Afghanen, der im Herbst 2002 von vier Soldaten festgenommen und getötet worden sein soll.

Die in Deuschland eingereichte Strafanzeige gegen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat aus Sicht des Pentagons keine negativen Auswirkungen auf die deutsch-amerikanischen Beziehungen. Es sei unwahrscheinlich, dass daraus eine neue Verstimmung zwischen den USA und Deutschland erwachsen könne, sagte ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums am Dienstag in Washington. "Diese Strafanzeige entbehrt jeder Grundlage, und es ist sehr unwahrscheinlich, dass dies Einfluss auf die deutsch- amerikanischen Beziehungen hat", sagte der Sprecher.

Er bewertete die Strafanzeige als abwegig. Die Vereinigten Staaten wollten prüfen, wie sie der Anzeige oder Untersuchung auf Grundlage bestehender Abkommen zwischen beiden Ländern begegnen könnten.

Der RAV hatte die Klage Ende November bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe eingereicht. Nach Angaben der Anwaltsvereinigung wurde die Anzeige im Namen von fünf Irakern gestellt, die Opfer von Misshandlungen und Folter in US-Gewahrsam seien. Sie richtet sich neben Rumsfeld gegen den ehemaligen CIA-Direktor George Tenet, General Ricardo Sanchez sowie gegen sieben weitere Verantwortliche der US-Regierung und des Militärs.

Die Anwälte berufen sich auf das im Juli 2002 in Kraft getretene deutsche Völkerstrafgesetzbuch, wonach im Ausland von Ausländern begangene Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit wegen des so genannten Weltrechtsprinzips auch in Deutschland verfolgt werden können. Auf massiven Druck der USA hatte das belgische Parlament ein ähnliches Gesetz im August 2003 erheblich abgemildert. Daraufhin wurden Klagen gegen den früheren Kommandeur des Irak-Feldzugs, Ex-General Tommy Franks, US-Präsident George W. Bush und seinen Außenminister Colin Powell sowie gegen den israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon wieder fallen gelassen. (APA)