Brüssel/Paris - Frankreich macht die Anerkennung des Völkermords an den Armeniern in der Türkei während des Ersten Weltkrieges nicht zur Vorbedingung für Verhandlungen über einen türkischen EU-Beitritt. "Juristisch wäre das gar nicht möglich", sagte Außenminister Michel Barnier am Dienstag im französischen Fernsehen. "Wir werden die Frage während der Verhandlungen stellen, und wir haben zehn Jahre Zeit, um sie zu stellen." Die französische Presse hatte Äußerungen Barniers vom Vortag so aufgefasst, als habe Barnier die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen strikt an ein vorheriges türkisches Eingeständnis des Völkermords gebunden.

Barnier hatte am Montag in Brüssel gesagt: "Ein großes Land wie die Türkei hat die Pflicht, sich zu erinnern." Frankreich mache die Anerkennung nicht zur Vorbedingungen für Beitrittsgespräche, über deren Aufnahme ein EU-Gipfel Ende der Woche entscheiden soll. Die Türkei wies die Forderung umgehend zurück. "Wir erkennen keinen angeblichen Völkermord an und wir werden das auch niemals tun", sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Ankara.

Barnier rief die Türkei zur Vergangenheitsbewältigung auf. "Die Türkei sollte mit ihrer Vergangenheit ins Reine kommen, sich mit ihrer eigenen Geschichte versöhnen und diese Tragödie anerkennen", sagte er. In Frankreich lebt mit 300.000 Menschen die größte armenische Gemeinschaft in der EU.

Armenischen Angaben zufolge wurden zwischen 1915 und 1923 in einem systematischen Völkermord rund 1,5 Millionen Armenier getötet. Der Völkermord sei von den damaligen Machthabern im Osmanischen Reich, den Jungtürken, befohlen worden. Die Türkei vertritt den Standpunkt, bei den Massakern habe es sich nicht um einen Völkermord gehandelt. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern sind durch den Streit belastet.

Frankreich hatte die türkische Regierung bereits vor drei Jahren mit einer gesetzlichen Anerkennung der Massaker als Völkermord durch das Parlament verärgert. In Österreich sind entsprechende Anläufe im Parlament zwei Mal gescheitert. (APA/Reuters/dpa)