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Hin und wieder frag ich mich, warum im Fernsehen ständig für irgendwelche Mobiltelefon-Verträge geworben wird, wo doch erstens eh schon jeder Säugling mindestens ein Handy hat, und wo zweitens niemand (zumindest niemand, den ich kenne) vom einen Provider zum anderen wechselt, weil dessen Werbung so treffend, originell oder, abscheulich oder sonstwie ist. Mobiltelefon-Werbung wäre für mich also ein klassischer Fall von Luxus, da überflüssig und extrem kostspielig, und somit das, was man heute gerne als „Speck“ bezeichnet.

Aber egal, irgendwas wird TV-Werbung wohl schon nützen, denn nur zur Unterhaltung des gelangweilten Fernseh-Publikums wird man die teuren Spots ja wohl nicht schalten. Und wenn man also weiter folgert, nämlich dass solche Spots was nützen, dann melden wir also alle nicht nur jede Woche ein neues Mobiltelefon an, sondern kaufen auch gerade alle wie nicht gescheit Digitalkameras und – trara! – Espressomaschinen. Weil Espressomaschinen sind super: Die stehen da in so riesigen, sommerlichen Designer-Wohnungen und werden von schönen Männern mit kantigen Gesichtern, grau-melliertem Haar und lässiger Eleganz bedient/bestaunt/gestreichelt oder von traumhaft schönen, sinnlichen Frauen, deren tiefsinnige Augen deutlich vernehmbar „Mach’s mir!“ sagen, bedient/betrachtet/gestreichelt.

Wie der Espresso ja überhaupt vom belebenden Heißgetränk, den man mittels drei kleinen Schlucken innerhalb von etwa zwanzig Sekunden verzehrt, zum komplizierten Vor- und Liebesspiel geworden zu sein scheint (zumindest bei Menschen, die so schön sind wie die in der Werbung, aber bei denen ist das Unterschreiben einer Lebensversicherung oder der Kauf eines Zementmischers ja auch meistens ein erotischer Akt ...).

Was uns diese lehrreichen TV-Spots jedenfalls vermitteln, ist folgendes: Je einfacher man Espresso machen kann, desto besser ist er und desto mehr Erfolg hat man dann unmittelbar bei dem schönen Menschen, der da auch im Zimmer steht und kaum noch die Hände von der Wäsche lassen kann. Was halt aber leider ein völliger Schmonzes ist, weil die ganzen Vollautomaten, die da jetzt als sinnliches Vergnügen gepriesen werden, können zwar auf Knopfdruck eine heiße, braune Flüssigkeit mit oben einer schaumigen Crema erzeugen, nur ein guter Espresso ist das dann halt noch lange nicht. Da nützt es auch wenig, wenn viel Chrom, LCD-Anzeigen, blinkende Lamperln oder die separate „Latte macchiato“-Taste vorhanden sind, die „lo zio“ von Paolo Conte spielt, wenn man sie drückt. Espresso machen ist ein Kunsthandwerk, das nur durch langes Üben, stundenlanges Zusehen bei den italienischen Meistern, die Erfahrung tausender Niederlagen und das ungefähre Wissen um die komplexen Vorgänge gelingt. Außerdem findet Espresso nur dann statt, wenn ein Halbautomat mit Siebträger zur Hand ist, auf Knopfdruck bekommt man höchstens heißen Kaffee.

Aber immerhin, das eröffnet schließlich ungeheure Möglichkeiten für die Wirtschaft: Schließlich wurden heuer dem Vernehmen nach ja auch schon an die 13 Millionen Kochkurse erworben, um sie zu Weihnachten Chefs, Vätern, Freunden oder WG-Genossen zu schenken. Und wenn man bei diesen Kursen vielleicht auch ein bisschen näher bringen könnte, worum’s beim Espresso so ungefähr geht, dann schließt sich der Kreis ja eh.