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foto: reuters/bader
Bei seiner kurzfristig angesetzten Rücktrittspressekonferenz in seinem Ministerium am Freitag um elf Uhr versuchte Innenminister Ernst Strasser (VP) jeden Anschein von Aufgeregtheit oder Hektik zu vermeiden.

Ganz gelang es ihm nicht. Mit bewegter Stimme erklärte er, "aus Gründen der persönlichen Lebensplanung in die Privatwirtschaft zurückzukehren". Er habe von Anfang an klargemacht, dass er nicht als Politiker in Pension gehen möchte, und sehe jetzt den geeigneten Zeitpunkt gekommen, um das "Kapitel Politik" abzuschließen.

Geeignet erschien der Zeitpunkt wohl nur Strasser alleine – denn mit seinem überraschenden Entschluss, nach vier Jahren das Amt zurückzulegen, überrumpelte er am Freitag Freund, Feind und allen voran seine eigene Partei. Strasser betonte zwar mehrmals, seinen Parteichef "zeitgerecht" informiert zu haben und bereits im Frühsommer gemeinsam mit seiner Frau seinen Abschied aus der Politik beschlossen zu haben.

ÖVP überrascht

Im zeitgleich tagenden Parlament wirkten Freitagvormittag aber sowohl VP- Klubobmann Wilhelm Molterer als auch VP-Generalsekretär Reinhold Lopatka überrascht. "Sicherlich ist es überraschend", meinte Lopatka. "Persönliche Entscheidungen sind zu respektieren", meinte Molterer.

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (VP), der auf Strassers Abgang am frühen Nachmittag mit einer eingeschobenen Erklärung während der aktuellen Sitzung im Parlament reagieren musste, merkte nur an, dass Strasser ihn Donnerstagabend von seinen Plänen informiert habe und ihm dann Freitagvormittag mitteilte, die Öffentlichkeit "bereits jetzt" zu unterrichten.

Alles andere als einvernehmlich ging auch die Übergabe der Amtsgeschäfte über die Bühne: Während aus Strassers Ministerium Freitagvormittag noch von einer geordneten Übergabe "in einigen Wochen" die Rede war, teilte die Sprecherin des Kanzlers der Austria Presse Agentur wenig später mit, dass Verteidigungsminister Günther Platter (VP) bereits Samstagfrüh von Bundespräsident Heinz Fischer angelobt wird. Platter soll das Innenministerium laut Schüssel "vorübergehend" leiten – Details ließ er offen.

Das Verteidigungs- und das Innenministerium befinden sich somit in einer Hand. "So etwas gibt es in keinem zivilisierten Staat der Welt, das ist ein unerträglicher Zustand", kritisiert Grünen-Chef Alexander Van der Bellen im STANDARD-Gespräch. "Beide Ressorts müssen getrennt bleiben. Wenn das prolongiert wird, treibt Schüssel Österreich in eine Staatskrise." "Die Regierung ist in einer tiefen Krise", befand auch SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer. Es sei "keine gute Idee", Inneres und Verteidigung in einer Hand zu haben, sei doch die Trennung von Polizei- und Militärgewalt ein "Grundcharakteristikum des Rechtsstaats", meinte Gusenbauer.

Für schwere Turbulenzen sorgte Strassers Absprung aber nicht nur innerhalb der ÖVP, sondern auch zwischen den Koalitionspartnern. Kaum war er durchgesickert, versuchten FP- Generalsekretär Uwe Scheuch, FP-Klubobmann Herbert Scheibner und FP- Vizeparteichef Heinz- Christian Strache, das Innenressort für sich zu reklamieren – Ressorttausch inklusive. "Dass wir Potenzial hätten, ist eigentlich klar", meinte FP- Obfrau Ursula Haubner selbstbewusst. VP-Klubchef Molterer beendete das blaue Treiben: "In aller Klarheit ist festzuhalten, dass an der Ressortverteilung nichts geändert wird."

Entsprechend sauer sind die Freiheitlichen. "Ich halte diese schnelle Entscheidung des Kanzlers für eine Husch-Pfusch-Aktion", ärgert sich Strache im Gespräch mit dem STANDARD. Dies sei "genau diese Selbstherrlichkeit Schüssels, die einmal mehr zum Ausdruck kommt".

Vizekanzler Hubert Gorbach (FP) versuchte seine Mannschaft zu beruhigen: "Es gehört sich nicht, dass man Vereinbarungen infrage stellt." Gleichzeitig betonte er, dass die FPÖ aber noch immer bereit sei, "das sensible Ressort Inneres" zu übernehmen.

Pröll reklamiert

Für dieses interessiert sich gemäß der schwarzen innerparteilichen Machtlogik inzwischen allerdings ein weit einflussreicherer Mann: Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (VP). Im STANDARD-Gespräch betont er die Vorläufigkeit der Betrauung Platters mit dem Innenressort: "Es ist ja nicht machbar, dass man mit einem Satz Innen- und Verteidigungsministerium zusammenlegt. Wie die Neukonstellation der Regierung ausschaut, ist noch offen." Es sei klar, dass die niederösterreichische ÖVP aufgrund ihrer Größe "eine entsprechende Stimme" bei den Beratungen habe.

Pröll bestätigt auch, was hinter vorgehaltener Hand schon seit Monaten getuschelt wird: Strasser habe in der Politik keine persönliche Perspektive gesehen, nachdem er nicht für die EU-Kommission vorgeschlagen worden ist.

Wie sehr es ihn auf die internationale Ebene zieht, betonte der scheidende Minister auch bei seinem Rücktritt. "Ich prüfe zwei interessante Angebote von international tätigen Unternehmen." Gerüchteweise handelt es sich um die Voest oder Umdasch. "Stronach ist es nicht", verriet Strasser. (cs, kob, pm, tó/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11./12.12.2004)